Tribut für ein Leben am Kolosseum

Die Bewohner von Rom drückt eine hohe Schuldenlast

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Die italienische Hauptstadt Rom ist pleite. Laut einer offiziellen Rechnung hat Rom mindestens 16,7 Milliarden Euro Schulden.

Ein riesiger Schuldenberg erdrückt die Stadt, und wenn die Regierung nicht jedes Jahr einschreiten und die Bürger Roms nicht immer wieder tief in die Tasche greifen würden, dann hätte die Ewige Stadt schon längst Bankrott anmelden müssen.

Rom ist schön - daran gibt es keine Zweifel. Das Zentrum ist relativ gepflegt und einigermaßen sauber. Die Touristen fühlen sich hier wohl. Aber wenn man etwas weiter in Richtung Stadtrand fährt, dann ändert sich das Bild schlagartig. Da häufen sich die Müllberge vor den verbeulten und kaputten Containern, da weisen die Straßen Schlaglöcher auf, die schon eher an Canyons erinnern, und auch an den Bushaltestellen stehen die Menschen Schlange, weil es eigentlich viel zu wenig Querverbindungen gibt und die zwei U-Bahn-Linie überhaupt nicht ausreichen, um den Nahverkehr angenehmer zu gestalten. Ganz davon zu schweigen, dass viele Straßen sich bei jedem Regenguss in Seen oder reißende Ströme verwandeln, weil die Gullis regelmäßig verstopft sind. Wenn man sich bei den Zuständigen erkundigt, warum das so ist, bekommt man immer die gleiche Antwort: Es fehlt an Geld. Die Stadtverwaltung hat einen unglaublichen Schuldenberg, der jeden Versuch, die Stadt menschenwürdiger zu gestalten, schon im Keim erstickt. Die Römer kennen sich mit dieser Situation aus: Schließlich ist die finanzielle Schieflage der Stadt mindestens 100 Jahre alt.

Den ersten Hilferuf startete Ernesto Nathan, der Bürgermeister, der die Stadt zwischen 1907 und 1913 regierte. Er sprach die Schuldenkrise Roms an und bewirkte ein Sondergesetz, mit dem die Nationalregierung der Stadt aus der Klemme half. Solche Gesetze wurden dann praktisch jedes Jahr verabschiedet - das letzte am 30. Dezember 2013. Aber wirklich dramatisch wurde die Lage erst 2008, als Gianni Alemanno, ehemaliger faschistischer Schläger, das Amt übernahm. Er befand sich in einer Zwickmühle: Auf der einen Seite wollte er sich bei seinen Wählern und vor allem seinen Unterstützern in der Immobilienlobby bedanken, indem er unter anderem viele kostspielige Bauaufträge an sie vergibt; auf der anderen Seite aber waren die Kassen wie eben seit 100 Jahren gähnend leer.

Er wandte sich also an Berlusconi, der Italien damals regierte und an dessen windigen Finanzminister Giulio Tremonti, der auch in der EU für seine »kreative Finanzpolitik« mehr berüchtigt als berühmt war. Und der hatte dann auch eine umwerfende Idee. Den größten Teil der Schulden der Stadt überführte er in eine Art »Bad Company«, für die er einen kommissarischen Verwalter einsetzte, der erst einmal die Aufgabe hatte, auszurechnen, wie hoch dieser Schuldenberg überhaupt ist. Der laufende Haushalt konnte so - zumindest auf dem Papier - wieder bei Null starten. Aber solch ein Vorgehen kennt man ja von maroden Banken, die ihre Schulden der Allgemeinheit überlassen, während sie die Gewinne selber einstecken.

Ein weiterer cleverer Schachzug: Für die »Schuldenzählung« gab es erstmal keine zeitliche Begrenzung. So wurden im Laufe der Jahre die unterschiedlichsten Zahlen genannt: Alemanno sprach anfangs von 8,6 Milliarden Euro, dann von 9,6 Milliarden, und 2010 war von 12,3 Milliarden Euro Schulden die Rede. 2012 dann die erste offizielle Rechnung: Rom hat einen Schuldenberg von mindestens 16,7 Milliarden! Wie kommt man davon wieder runter? Der derzeitige Bürgermeister Ignazio Marino sucht tapfer nach Lösungen, aber im Augenblick bleibt auch ihm nichts anderes übrig, als die kommunalen Steuern von Jahr zu Jahr zu erhöhen. Den Tribut muss man offensichtlich zahlen, wenn man zwischen Kolosseum und Petersdom wohnen möchte!

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