Mit der BVG smart unterwegs

Verkehrsbetriebe stellten neue Anwendung für Mobilfunknutzer vor

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 4 Min.
Die BVG will in Zukunft einen Großteil ihrer Fahrscheine über neue Vertriebswege verkaufen. Automaten und Verkaufspersonal werden aber auch in Zukunft nicht überflüssig.

Die Straßenbahn M 4 bleibt kurz hinter der Hufelandstraße plötzlich stehen. Keine Ampel stoppt die Straßenbahn auf ihrem Weg nach Berlin-Mitte, der Fahrer informiert die Fahrgäste über einen Verkehrsunfall auf der Strecke, die meisten von ihnen setzen ihren Weg zu Fuß fort. Hektisch werden die Smartphones gezückt, um alternative Wege im Internet zu suchen. Für viele erfolglos: Bei einem der großen Mobilfunkanbieter sind Probleme an mehreren Basisstationen aufgetreten, das mobile Internet funktioniert nicht mehr.

Zur gleichen Zeit stellten gestern die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ihre neue Anwendung (App) »Fahrinfo Plus« für Smartphones in einem schicken Café am Hackeschen Markt vor. Mit ihr können Fahrgäste jetzt nicht mehr nur ihre Route am Telefon planen, sondern direkt Fahrscheine für die Berliner Tarifbereiche ABC kaufen. Das Display des Telefons zeigt dann den Fahrschein an. Hierfür ist eine Registrierung nötig, auf dem Fahrschein wird der Name des Nutzers angezeigt. Die Zahlung erfolgt über den Bankeinzug oder die Kreditkarte, die App selber ist kostenlos. Bewegungsdaten der Nutzer werden laut BVG nicht erhoben, der auf dem Display angezeigte Fahrschein ist allerdings nur in Verbindung mit einem amtlichen Lichtbildausweis gültig.

Bei bereits bestehenden Systemen müssen Smartphonenutzer zu Beginn und am Ende der Fahrt an sogenannten »Touchpoints« ein- und auschecken, der Fahrpreis wird im Nachhinein anhand der zurückgelegten Strecke errechnet. Die Unsicherheit, was die Fahrt eigentlich kostet, sowie die ständige Ortung der Nutzer hätten viele Fahrgäste bisher abgeschreckt, mobile Bezahlsysteme zu nutzen, erklärte Henrik Falk, Finanzvorstand der BVG. »Bis 2015 wollen wir ein Prozent des Ticketumsatzes mit Handytickets erzielen.«

Die Ziele der BVG sind ambitioniert, bereits 2014 will das Unternehmen eine sechsstellige Anzahl Fahrkarten über die »Fahrinfo plus«-App verkaufen. »Wir sind überzeugt, dass wir in Zukunft den Großteil des Umsatzes über solche Vertriebskanäle machen«, prognostizierte Falk weiter. Dafür solle auch die App ständig erweitert werden, erklärt der Leiter der Unternehmenskommunikation, Dr. Martell Beck: »Wir wollen noch in diesem Quartal Echtfahrzeiten in die App integrieren, nicht nur die Regelfahrpläne. Auch aktuelle Verkehrs- und Störungsmeldungen wollen wir den Nutzern mitteilen können.« Mittelfristig soll die App zum »Mobilitätsportal« werden: Neben der jetzt schon vorhandenen Möglichkeit, auch Autos bei einem Car-Sharing-Anbieter zu nutzen, ist die Anwendung prinzipiell offen für alle Mobilitätsdienstleister wie z.B. auch Mietfahrradanbieter. Noch in diesem Jahr soll es auch möglich sein, Fahrscheine ohne Registrierung zu kaufen. Persönliche Daten und auch Zahlungsinformationen müssten dann bei jeder Transaktion neu angegeben werden. Beck: »Über die App gibt es keinen ganz anonymen Fahrscheinkauf.«

»Falls der Name nicht auf dem Ticket stehen soll, haben wir weiterhin eine schöne Möglichkeit zum Fahrkartenkauf: den Automaten«, sagte Falk. Die BVG beschafft für zehn Millionen Euro rund 900 neue Automaten, einer kostet ungefähr so viel wie die Entwicklung der App, rund 35 000 Euro. Ab Ende 2014 sollen die Geräte ausgetauscht werden. Vertriebschef Wilfried Kramer nennt das Alter der Geräte als Hauptgrund: »Die meisten sind über 20 Jahre in Betrieb und zweimal abgeschrieben. Viele Automaten haben wir zuletzt zur Euroumstellung modernisiert. Da gibt es schon Probleme, überhaupt Ersatzteile zu finden.« Aufgrund der seit 2007 verdoppelten Anzahl von Stammkunden soll es in Zukunft »geringfügig weniger« Automaten bei der BVG geben, so Kramer. Auch in Zukunft sollen aber auf jedem U-Bahnhof mindestens zwei, in jeder Straßenbahn mindestens ein Automat stehen. Gerade in den Straßenbahnen sorgen sie bis jetzt oft für Verdruss: An ihnen ist bis jetzt nur die Zahlung mit Münzen möglich, zudem bieten sie nur ein eingeschränktes Fahrkartensortiment. Beide Mängel sollen mit den neuen Automaten behoben werden.

Automaten und mit Personal besetzte Verkaufsstellen werden auch für Menschen in Zukunft weiter nötig sein: Fällt das Handy aus, weil das mobile Internet nicht funktioniert oder der Akku des Telefons leer ist, sind die Fahrgäste laut BVG »verpflichtet, anderweitig einen gültigen Fahrschein zu erwerben«.

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