Bundeswehrfreundliche Familien

Bernd Zeller über das subversive Politikmodell der Ursula von der Leyen

  • Bernd Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.

Unser heutiger Bericht analysiert die Pläne der Verteidigungsministerin zur familienfreundlichen Umgestaltung der Armee. Ursula von der Leyen war bereits Familien- und Arbeitsministerin und bringt die in diesen Ämtern erworbenen Kompetenzen in ihren neuen Zuständigkeitsbereich ein. Die Reihenfolge von Ämtern ist wichtig; wäre sie zuerst Verteidigungsministerin gewesen, hätte sie als Arbeitsministerin die Unternehmen verteidigungsbereit gemacht und als Familienministerin die Familien arbeitsfähig.

Die Bundeswehr ist bekanntlich eine Freiwilligenarmee, dagegen hat man noch nichts von Freiwilligenfamilien gehört. Daran ändern auch die neuen Familienmodelle nichts, mit denen die herkömmlichen Familien anderen privaten Bindungsstrukturen gleichgestellt werden. Da Großfamilien vorurteilsweise einen schlechten Ruf haben, werden in den gesellschaftskritischen Leitmedien wie »Tatort« und »Polizeiruf« die ehemals sogenannten Normalfamilien als Herd des Grauens dargestellt, so dass Journalisten in Großfamilien familiäre Werte hineinvermuten können. Hier bietet sich ein Ansatz an, die Bundeswehr als große Familie zu vermitteln und zu bewerben.

Soziologisch sind die Pläne brisant. Wenn die Bundeswehr also bisher nicht familienfreundlich war, in Zeiten der Wehrpflicht aber als Schule der ehemals so genannten Nation betrachtet wurde, heißt das, die Nation durchlief eine familienunfreundliche Schule. Die Familien haben damit endlich ihre sozialen Ursachen gefunden, sie wurden unfreundlich behandelt und entwickelten sich deshalb zu dem bekannten Horror. Bisher dachte man nur, die Familien wären die Keimzelle der Gesellschaft, so dass man sich über die Gesellschaft nicht mehr zu wundern brauchte.

Es ist zu erwarten, dass unter Ursula von der Leyen keines von all den gleichrangigen Familienformaten benachteiligt wird und somit die Bundeswehr ein für alle attraktiver Arbeitgeber wird. Hauptaugenmerk liegt natürlich auf der Kinderbetreuung. Wenn unsere Soldatinnen und Soldaten ihre Kinder in der Tagesstätte unterbringen können, kämpft es sich gleich noch besser. Allerdings sind Kampfeinsätze die Ausnahme, weswegen eine Ersatzbeschäftigung gefunden werden muss, etwa in der Kindertagesstätte. Die Personalfrage lässt sich somit kostenneutral ausgestalten.

Ebenso müssen die kulturellen Hintergründe der Kinder im Vordergrund stehen, allein schon, um keine Klagewelle oder schlechte Presse auszulösen. Geburtstagsfeiern dürften noch in Ordnung gehen; unklar ist, ob die Bundeswehr grundgesetzlich zu religiöser Neutralität verpflichtet ist. Wahrscheinlich nicht, zumindest nicht immer. Es kommt darauf an, wie man feiert. Obwohl Kriegsspielzeug selbstverständlich nicht in die Kindertagesstätte gehört, dürfen vielleicht die Kerzen auf dem Geburtstagskuchen mittels einer Druckwelle durch einen Sprengkörper ausgelöscht werden, im Sandkasten spielt man Brunnengraben, andere rituelle Feste mit spezieller Rechtsgrundlage können gemeinsam vorbereitet werden mit Basteleien und Scherenschnitten. Ursula von der Leyen spricht es so nicht aus, doch das Versagen der Bundeswehr in Afghanistan resultiert auch daraus, dass die Afghanen den Soldaten nicht ihre Kinder anvertrauten.

Kinderlose und variierende Familienformen sind gleichstellungsbereit. Paare oder sonstige Lebensgemeinschaften mit Adoptionsinteresse bekommen anstelle einer Beförderung ihren Kinderwunsch erfüllt, falls sie nicht die Beförderung vorziehen.

Wenn Ursula von der Leyen mit diesem Programm Erfolg hat und als kommende Kanzlerin umgeht, folgen die anderen Ministerien nach. Die Bildungsministerin macht die Bildung familienfreundlich durch Erhöhung der Unterrichtsstunden. Steinmeier macht das Ausland familienfreundlich durch Lärmschutzmaßnahmen. Und Sigmar Gabriel gestaltet die Energiewende familienfreundlich durch eine Kalorienbremse.

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