Viel Rückenwind fürs freie Feld

Bürgerinitiative: Erfolgreiches Volksbegehren ist Beleg für Versagen der Politik

  • Lesedauer: 3 Min.
Das Volksbegehren Tempelhofer Feld komme aus der Mitte der Bevölkerung und sei ein Beleg für das Versagen der Politik. So Michael Schneidewind vom Kampagnebüro der Tempelhofinitiative. Mit ihm sprach Bernd Kammer.

Nach der Zitterpartie um gefälschte Unterschriften haben bei Ihnen gestern sicher die Sektkorken geknallt.
Wir bleiben beim Kaffee. Alles andere kommt, wenn wir auch den Volksentscheid gewonnen haben. Und eine Zitterpartie war es ja auch nicht, mit 11 000 Stimmen über der notwendigen Zahl.

Hat Sie der Vorwurf der Wahlfälschung getroffen?
Das war wohl der Versuch, unser Anliegen in der Öffentlichkeit zu diskreditieren und ist gründlich daneben gegangen. Laut Landeswahlleiterin waren es weniger als ein Prozent der Stimmen, die als gefälscht angesehen werden könnten. Somit kamen fast alle ungültigen Stimmen von Sympathisanten, die unterschrieben haben, ohne zu wissen, dass ihre Unterschrift nicht gültig sein wird. Wir haben jedenfalls ordentlich Rückenwind bekommen.

Trotzdem bleibt es ein Kampf David gegen Goliath angesichts der geringen Unterstützung. Im Gegensatz zu anderen Volksbegehren stehen nicht mal die Oppositionsparteien voll hinter Ihrem Anliegen.
Vielleicht ist das gerade unser großes Plus. Wir erscheinen den Berlinern dadurch noch authentischer und glaubwürdiger. Wir haben in den zwei Jahren unserer Kampagne vielleicht 10 000 Euro ausgegeben. Dem Senat stehen da ganz andere Mittel zur Verfügung, um für seine Ideen zu werben. Das Volksbegehren kommt aus der Mitte der Bevölkerung und ist ein Beleg für das Versagen der Politik und für die Krise in der Wohnraumversorgung. Und man traut dem Parlament nicht zu, diese zu lösen, weil Politik eben mehr in Wahlperioden denkt. Deshalb wollen die Berliner das selber in die Hand nehmen.

Was haben Sie gegen Wohnungsbau auf dem Tempelhofer Feld?
Vom Senat wird leider vergessen, das Preisschild unter seine schönen Pläne zu hängen. Auf dem Feld soll ja nur ein Drittel der ausgewiesenen Baufelder dem Wohnungsbau dienen, der Rest für Gewerbe. Es gibt genügend Flächen in Berlin, wo man wesentlich günstiger Wohnungen bauen kann, weil diese bereits erschlossen sind. Auf dem Feld ist das nicht so, was die Sache entsprechend teuer macht. Allein die Herstellung der Baufelder soll etwa eine halbe Milliarde Euro kosten.

Sie meinen also, das dort keine bezahlbaren Wohnungen entstehen können.
Nein. Eher werden diese Wohnungen nach zehn Jahren wieder an Investoren verkauft. Wie das funktioniert, haben wir ja bei der GSW gesehen.

Warum soll alles so bleiben, wie es jetzt ist?
Wir wollen eine Denkphase einleiten. Wenn unser Gesetz angenommen wird, kann neu nachgedacht werden, wie eine sinnvolle Nutzung des Tempelhofer Feldes aussehen könnte. Aber wenn jetzt der Masterplan umgesetzt wird, ist alles in Beton gegossen. Das kriegt man nicht mehr vom Feld runter.

Also einer Kompromisslösung, wie sie den Grünen oder auch der LINKE vorschwebt, sind Sie nicht abgeneigt?
Über unser Gesetz zu verhandeln, wie die Grünen meinen, ist schon aus juristischen Gründen nicht möglich. Wir haben den Auftrag, genau dieses Gesetz durchzukriegen, an ihm kann man nicht herumbasteln. Wer gegen diese massive Bebauung auf dem Feld ist und nur ein bisschen will, der muss unserem Volksbegehren zustimmen. Das kann eine Denkphase eröffnen, in der man auch über weniger Bebauung diskutieren kann.

Was erwarten Sie jetzt vom Senat?
Dass er nicht wieder trickst und den Volksentscheid auf den Tag der Europawahl am 25. Mai legt.

Ein erfolgreicher Volksentscheid braucht weit über 600 000 Stimmen. Wie wollen Sie das schaffen?
Vielleicht hilft ja Petrus mit. Derzeit ist das Feld ja wunderbar eingeschneit, das gibt tolle Bilder. Und dann kommt der Frühling, da werden sich die Berliner wieder von der Weite des Feldes beeindrucken lassen.

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