Korte: Wo sind die Chefaufklärer der SPD?

Linkenpolitiker kritisierten Untätigkeit der Bundesregierung in Überwachungsaffäre / VS-Präsident: Keine Erkenntnisse über Spionage

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Politiker der Linkspartei haben die Untätigkeit der Bundesregierung angesichts der immer neuen Enthüllungen in der Überwachungsaffäre kritisiert. Linksfraktionsvize Jan Korte verwies darauf, »dass selbst die Interessen der deutschen Wirtschaft kein Regierungsmitglied hinterm Ofen hervorlocken«.

Korte sprach damit Äußerungen des Whistleblowers Edward Snowden an, der in einem Interview eklärt hatte, es gebe keinen Zweifel, dass die USA Wirtschaftsspionage betrieben. »Wenn es bei Siemens Informationen gibt, von denen sie meinen, dass sie für die nationalen Interessen von Vorteil sind, nicht aber für die nationale Sicherheit der USA, werden sie der Information hinterherjagen und sie bekommen.«

Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hatte dies als abwegig bezeichnet. »Ich gehe davon aus, dass die Amerikaner sich an amerikanisches Recht halten. Und das sieht nicht vor, Industriespionage durch amerikanische Dienste zu betreiben«, sagte Maaßen dem »Handelsblatt«. Der Verfassungsschutz sei allen Vorwürfen nachgegangen. »Wir haben weder valide Erkenntnisse, dass die Amerikaner Breitbandkabel in Deutschland anzapfen, noch ob aus der US-Botschaft in Berlin das Handy der Kanzlerin abgehört worden ist«, sagte Maaßen.

Korte wies das zurück. »Auch wenn die Wirtschaftsspionage der NSA ein offenes Geheimnis ist, scheint sich das Bundesamt für Verfassungsschutz, das eigentlich für Spionageabwehr zuständig ist, dafür nicht wirklich zu interessieren. Dass das BfV überhaupt keine Zahlen über das Ausmaß der Wirtschaftsspionage hierzulande vorlegen kann, wundert niemanden mehr«, sagte der Linkenpolitiker. Er frage sich, »womit die im Sommer selbsternannten Chefaufklärer aus der SPD eigentlich gerade beschäftigt sind. Was die NSA-Affäre angeht, ist jedenfalls kein Kurswechsel der Bundesregierung erkennbar.«

Derweil forderte Linkenvorstand Dominic Heilig »eine Kehrtwende in der Politik und eine effektive Stärkung des Datenschutzes und des Rechts auf Privatsphäre in Europa«. Spätestens mit den Snowden-Enthüllungen sei klar geworden, »weltweit sind schlechte Zeiten für Datenschutz und Bürgerrechte angebrochen«. Er verwies auf Hunderte von Datenbanken, in denen persönliche Informationen über Bürger gespeichert werden, und auf mehr als 1.000 Unternehmen, die sich darauf spezialisiert hätten, »mit unseren persönlichen Daten zu handeln«. Dies untergrabe die Fundamente der Demokratie, so Heilig.

Er kritisierte, dass die EU-Kommission seit über einem halben Jahr keinen geeigneten Bewerber für den Job des neuen EU-Datenschutzbeauftragten finden könne. »Untätig oder scheinbar ohnmächtig schleppt sich die Debatte um Konsequenzen aus der Totalüberwachung dahin«, kritisierte der Europapolitiker. Von konkreten effektiven Maßnahmen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene zur Eindämmung der demokratiegefährdenden Überwachung und zum Schutz der Grundrechte fehle »jede Spur«.

Korte äußerte sich ähnlich. »Noch nie stand ein europäischer Datenschutztag unter einem so schlechten Stern wie der heutige. Wenn jeder, der nicht mit einem Bechertelefon kommuniziert, durch Geheimdienste überwacht und abgehört werden kann, kann von tatsächlichem Datenschutz nicht die Rede sein. Dies zu ändern und den Datenschutz aus dem utopischen Raum wieder in die Wirklichkeit zurückzuholen, ist Pflicht und Auftrag der Regierungen in Europa und anderswo«, erklärte der Linkenpolitiker. nd/Agenturen

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