Mit Hamsterbacke zum Ultraschall

In Lichtenberg werden Regionalzüge gewartet - und von Schnee und Matsch befreit

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.
Freud und Leid der Technik: Wenn in der DB-Werkstatt in Lichtenberg an Zügen gewerkelt wird, bleibt es still wie im Labor.

»Jetzt wird ein Zug hereingebracht«, sagt Rainer Bierwagen, Leiter der DB-Regio-Werkstatt Berlin-Lichtenberg. Und schon stürmen alle Fotografen und Kameramänner hinaus, um zu dokumentieren, wie eine bloß traktorgroße Diesellok einen Triebzug in die Halle zieht. »Willi« heißt laut Aufkleber die Lok und »Talent 2« der Elektrotriebzug. Der hatte einen Wildunfall. »Einige Rohrleitungen sind weggequetscht worden und Aggregate wurden verbogen«, erklärt Bierwagen das Schadensbild. Die Reparatur sei aber keine große Sache.

Auf dem Nebengleis steht ein Zug derselben Baureihe, die von Eisenbahnfans wegen der Kopfform manchmal auch Hamsterbacke genannt wird. Er soll warm werden, damit seine Achsen untersucht werden können. Das geschieht mit Ultraschall, die Temperatur muss zwischen 5 und 30 Grad liegen. »Das ist die Herausforderung im Winter«, sagt Bierwagen. Dazu dient die Heizung in der Arbeitsgrube sowie mobile Heizlüfter, die wie kleine Flugzeugtriebwerke aussehen. In der Grube misst ein Techniker die Achstemperaturen, sie sind im grünen Bereich. Dafür ist der Arbeiter vom ganzen Schmelzwasser schon ziemlich nassgetropft.

Die Ultraschallmessung selbst ist recht unspektakulär. Zwei Arbeiter stehen vor einem großen Kasten mit Laptop und schauen sich Kurven an. Laboratmosphäre. Kein Menschengewusel, keine Hammerschläge auf glühendem Metall, in der mehrgleisigen Halle ist es merkwürdig ruhig.

Rund 60 Mitarbeiter warten hier etwas über 50 fest stationierte Triebzüge. 40 Millionen Euro steckte die Bahn in den Ausbau der Werkstatt, um optimale Wartungsbedingungen für den Talent 2 zu schaffen. Seit 2012 bestreiten diese Züge einen großen Teil des Regionalbahnverkehrs rund um Berlin - nicht unbedingt zur ungeteilten Freude der Nutzer. Sehr schmale Sitze, schlechte Festhaltemöglichkeiten, wenige Türen, was die Haltezeiten an den Bahnhöfen verlängert - es gibt einiges zu kritisieren. »Wir haben den Verkehrsverbund mehrmals gefragt, ob er wirklich so schmale Sitze haben will«, sagt Christian Hocke von DB Regio. Er wollte. Bei anderen Dingen sei man im Gespräch mit dem Eisenbahn-Bundesamt, das Umbauten genehmigen muss. Doch auch die Bahn hat mit den Zügen ihr Päckchen zu tragen: »Es sieht aus, als ob wir dauerhaft mehr Personal als geplant für die Wartung bräuchten.«

Nach Problemen im Vorjahr erwiesen sich die Züge dieses Jahr als winterfest. »Schwachpunkt sind hier die Schiebetritte«, sagt Hocke. Die kleinen Bretter überbrücken den Abstand zwischen Zug und Bahnsteig und können sich mit Eis und Rollsplitt so weit zusetzen, dass sie nicht mehr einfahren.

Verdruss haben vor allem die Dieseltriebzüge von der Regionalbahnlinie nach Stettin bereitet. In den letzten Wochen gab es öfter Probleme mit ausfallenden Einheiten. Die noch zu Bundesbahnzeiten entwickelten Fahrzeuge seien »Oldtimer nicht nur im schönen Sinne«, sagt Hocke, man arbeite allerdings mit Hochdruck daran, sie auch im Winter stabil fahren zu lassen.

Zum Ende der Führung werden noch einmal die Kameramänner glücklich gemacht: Unter eindrucksvollem Warntongequäke fährt die wegklappbare Oberleitung aus. Etwas macht Geräusche und etwas bewegt sich. Endlich eine Werkstatt und kein Labor. Aber das ist wohl sentimental.

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