Repertoire für mindestens zwei Stunden

Straßenmusiker müssen in Barcelona vor einer Jury auftreten, ehe sie auf U-Bahn-Plätzen spielen dürfen

  • Lesedauer: 3 Min.
Wer in Barcelonas U-Bahn musizieren will, muss einer Jury vorspielen, einem Verein beitreten und Auftrittszeiten einhalten. Lidia Uve (26) ist Musikerin in Barcelona. Sie spielt Gitarre und singt, eigene wie fremde Lieder, alleine oder mit einer Gruppe, in Bars oder in U-Bahn-Stationen. Mit ihr sprach Ralf Hutter.

Hier gibt es in den U-Bahn-Stationen markierte Plätze, wo musiziert werden darf. Kennen Sie andere Städte, wo das so organisiert ist?
In Paris gibt es etwas ähnliches wie hier. Das haben mir zwei Bekannte gesagt. Ich weiß aber nicht, wer es da organisiert.

Ist es schwer, die Erlaubnis zu bekommen, hier zu spielen?
Nein. Sie lassen dich vorspielen. Aber die Zahl der Leute, die jedes Jahr zugelassen werden, ist begrenzt.

Die Erlaubnis gilt nur für ein Jahr?
Nein. Wenn du erst mal den Ausweis hast, bist du drin.

Gibt es bestimmte Daten, an denen ein Vorspiel möglich ist?
Nur einmal im Jahr. Es ist wie ein Casting. Aber es ist nicht schwer.

Wie ist das Vorspiel?
Du musst ein Repertoire von zwei Stunden vorweisen. Dann spielst du ein bisschen, und wenn du es gut machst, dann bist du dabei.

Ist das eine öffentliche Stelle, die das macht?
Nein, ein Verein. Ein Verein der Musiker selbst. Er verwaltet das zusammen mit dem Verkehrsbetrieben. Die Stadt macht da nichts.

Wie viele Leute werden jedes Jahr zugelassen?
Um die 40 bis 50.

In Madrid veranstaltete die Stadt neulich einen Wettbewerb für Straßenmusiker, wie bei einer Casting-Show. Wissen Sie, wie es da in der U-Bahn ist?
Da gibt es niemanden, der das verwaltet. Du stellst dich einfach hin - wenn die »Mafias« dich lassen.

Gibt es da auch Strafen?
Das weiß ich nicht. Ich vermute, dass es ein bisschen so ist wie hier früher: Wenn die Polizei Lust hat, bestraft sie dich, und wenn du ihr sympathisch bist, dann nicht.

Wenn hier zwei Leute zum selben Ort kommen und spielen wollen - dann hat der Vorrecht, der zuerst da war?
Wir treffen uns alle zwei Wochen in einem sozialen Zentrum und teilen uns die Zeiten und Orte auf. Wer da nicht hingehen konnte, stellt sich einfach auf einen freien Platz. Du musst unsere Vorschriften befolgen: Du darfst nicht mehr als zwei Stunden spielen und niemanden belästigen, der hier arbeitet.

Haben Sie schon einmal zwei Stunden gespielt?
Sogar bis zu vier.

Wie viele Stunden pro Woche spielen Sie?
Acht bis zwölf. Ich mache das nicht jeden Tag. Aber ich habe Freunde, die schon mal zwölf Stunden am Tag spielen, an wechselnden Orten.

Was kostet die Mitgliedschaft im Verein?
30 Euro im Jahr. Damit decken wir die Ausgaben: Erneuerung der Ausweise, Fotokopien und so weiter.

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