Im Raster eingeübter Erregungsfolklore

Angetrieben, formatiert, reproduziert: Anmerkungen zur Logik des medialen Euro-Reflexes. Oder: Was hat Sahra Wagenknecht gesagt?

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Vorsitzende der Grünen, Simone Peter, hat der Linkspartei eine nationalistische und populistische Europapolitik vorgeworfen. Man könnte einerseits sagen: Nun, das gehört zum Geschäft der Parteienkonkurrenz. Irgendjemand wird dann irgendwo sagen: Stimmt ja gar nicht. Und wenn zwei, drei Meldungen - Ingo Stützle hat unlängst ein kleines Stück zur Europadebatte der Linken geschrieben, es gilt pars pro toto auch für jene zwischen den Parteien: Nein, Doch, Nö, Doooch! - gelaufen sind, kehrt ein paar Tage Ruhe ein. Andererseits: Die via Zeit online gesendete Kritik an der Linken ist ein Beispiel dafür, wie solche Diskussionen heute angetrieben, formatiert, reproduziert werden.

Peter hatte gesagt: »Denn wer den Euro abschaffen will, gefährdet die Stabilität Gesamteuropas.« Das war auf Sahra Wagenknecht gemünzt, die dies aber so gar nicht formuliert hatte. Das hat unter anderem Spiegel online nicht davon abgehalten, zu schlagzeilen: »Wagenknecht fordert Abschaffung des Euro.« Holla! So kurz vor dem Parteitag. Das klingt wie AfD. Und schon läuft die Reflexmaschine. Zeit online weiß es eigentlich besser und schreibt: Wagenknecht »hatte sich dafür stark gemacht, darüber nachzudenken, unter welchen Bedingungen eine gemeinsame Währung funktioniert«.

Das klingt schon etwas anders, und ehrlich gesagt: Nicht alles, was gut ins Raster eingeübter Erregungsfolklore passt, ist dies auch wert. Wagenknecht in dem Interview: »Tatsächlich muss man darüber nachdenken, unter welchen Bedingungen eine gemeinsame Währung funktioniert. So wie der Euro eingeführt wurde, funktioniert er nicht, sondern spaltet Europa.« Und auf nochmalige Nachfrage: »Eine Auflösung der Gemeinschaftswährung darf nicht so laufen, dass die Wechselkurse der Spekulation überlassen werden. Es muss Institutionen geben, die die Wechselkurse auf dem Währungsmarkt stabil halten. Und es braucht Kapitalverkehrskontrollen.«

Mag sein, dass Sahra Wagenknecht in der Währungsfrage innerhalb des linken Spektrums eine sehr weitgehende Kritik vertritt. Mag auch sein, dass es für eine Politikerin nicht leicht ist, aus dem Schatten einer bereits geführten Diskussion zu treten - denn die Sache mit dem Euro hatten wir ja schon einmal. Und richtig: Es hat dabei auch wissenschaftliche Positionen gegeben, die eine Rückkehr zu nationalen Währungen in den am stärksten von der Krise getroffenen Staaten als Alternative zu einem unkontrollierten Auseinanderbrechen der Eurozone für bedenkeswert hielten.

Man muss das wirklich nicht teilen. Schon gar nicht im Frühjahr 2014, in dem die Krise zwar noch über Europa lastet, aber die Währungsfrage nicht mehr so sehr im Vordergrund steht. Sondern anderes, etwa die gar nicht so leicht und wohl auch nicht im Modus der warenförmigen Neuigkeitenproduktion zu beantwortende Frage, welche Alternativen es in Europa gibt, wie diese mehrheitsfähig und dann auch gegen starke Interessen durchsetzbar werden. Die Euro-Reflexmaschine lenkt davon bloß ab.

Sahra Wagenknecht übrigens hat am Donnerstag mit Blick auf die Schlagzeile bei Spiegel online erklärt: »Wer lesen kann, ist im Vorteil.« Das stimmt, scheint aber leider nicht die überall übliche Rezeptionsform im politischen Geschäft und Journalismus zu sein. (Hier muss selbstkritisch angemerkt werden: Das gilt auch für Linke und linke Medien.) Oder um es mit Wagenknechts Parteikollege Stefan Liebich zu sagen: Die Linken-Vizevorsitzende »plädiert für andere Rahmenbedingungen zur Sicherung des Euro - nicht für Abschaffung. Da hat sie recht.« Und man könnte darüber auch diskutieren, Frau Peter. Wenn man wollte.

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