Renaissance der Platte nicht ausgeschlossen

Punkthochhaus an der Karl-Marx-Allee und offener Hinterhof in Charlottenburg - Stadt sucht neue Wohnformen

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie die Zukunft des Wohnens aussehen könnte, wurde in einem Workshopverfahren der Bauverwaltung erforscht.

Ein neues Punkthochhaus an der Karl-Marx-Allee neben dem Rathaus Mitte, oder doch besser einen flachen Würfel? Ein Park- zum Wohnhaus umbauen, oder noch zwei Wohngeschosse aufstocken? Die Stadt braucht neue Wohnungen, mindestens 30 000 sollen in dieser Legislaturperiode bis 2016 entstehen. Sie braucht aber auch neue Formen des Wohnens, sagt Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. Bestehende Quartiere sollen ergänzt, Freiräume qualifiziert werden. Lüscher: »Wie kann es gelingen, kosten- und energieeffizient zu bauen, Wohngebiete nachzuverdichten und dafür Akzeptanz bei den Nachbarn zu gewinnen?«

Für acht landeseigene Grundstücke hatte die Stadtentwicklungsverwaltung die europaweite Ideensuche »Urban Living« gestartet, um dies zu beantworten und die Zukunft des Wohnens zu erforschen. 31 Architekturbüros reichten ihre Entwürfe ein, also etwa drei pro Grundstück. Ziel sei es, Prototypen für den Wohnungsbau in Berlin zu erhalten, und dies zu bezahlbaren Preisen», so Lüscher.

Das Büro BeL Sozietät für Architektur aus Köln hat bereits ausgerechnet, was der Quadratmeter Wohnung in ihrem umgebauten Parkhaus kosten würde: 6,50 Euro. Das zweigeschossige Parkhaus steht in der Neuköllner Briesestraße auf einem Grundstück der Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land. Der Preis ist so günstig, weil nur geringe Umbauten nötig wären. «Ziemlich einmalig», findet Lüscher diese Lösung.

An der Karl-Marx-Allee könnte es sogar zu einer Weltpremiere kommen: Das Büro Barkow / Leibinger aus Berlin schlägt ein Punkthochhaus mit Elementen aus Ultraleichtbeton vor. Die Elemente würden gerade patentiert, so Lüscher. Sie seien sehr energieeffizient, flexibel, aus statischen Gründen in sich gebogen und ermöglichten ein schnelles Bauen. Und vielleicht eine Renaissance des Plattenbaus. Der 16-geschossige Neubau könnte auf dem derzeitigen Parkplatz neben dem Rathaus entstehen.

Das Berliner Büro June14 dagegen schlägt einen großen, zweigeschossigen Flachbau im Innenhof der umgebenden 60er-Jahre-Bauten vor, mit einem kleinen Park auf dem Dach. Vorteil: Die Sicht für die Nachbarn wird nicht verstellt. Das untere Geschoss ist komplett verglast, Hier könnte also auch gearbeitet werden, während sich die intimeren Wohnbereiche im Obergeschoss befinden. Die zweigeschossigen Wohnungen gruppieren sich um Innenhöfe, sie wären sicher für Bevölkerungsgruppen interessant, «die es hier noch nicht gibt», vermutet Lüscher im Sinne einer «besseren sozialen Mischung».

Auch der Berliner Hinterhof wird neu erfunden, in der Arcostraße in Charlottenburg allerdings in ganz anderer Qualität. Das Büro Bruno Fioretti Marquez Architekten gruppiert Vorder- und Hinterhäuser so, dass alle Bewohner den Blick auf die Spree genießen können. Durch die hohe Dichte der Bebauung soll trotzdem kostengünstiges Wohnen ermöglicht werden. Das Grundstück wird durch den Liegenschaftsfonds vermarktet. Hier könnte es zu einer sogenannten Konzeptausschreibung kommen. Das heißt, nicht der Preis entscheidet, wer das Grundstück erwerben und bebauen darf, sondern das Nutzungskonzept. Die Senatsbaudirektorin kann sich vorstellen, dass Genossenschaften und Baugruppen zum Zuge kommen.

Welcher und ob überhaupt einer der Entwürfe zum Zuge kommt, ist noch nicht entschieden. «Wir müssen noch herausfinden, welche Lösungen wir weiterverfolgen», so Lüscher. Laut Baustaatssekretär Ephraim Gothe könnten diese dann auch die Blaupause für andere Grundstücke sein.

Vom 6. März bis 26. April sind alle Entwürfe im «HO» am S- und U-Bahnhof Jannowitzbrücke, Holzmarktstr. 66, zu besichtigen.

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