Kein prima Klima in Berlin
Grüne zitieren Senat vor Gericht, weil er Energieberichte verweigert
Ist Klimaschutz eine Sache für das Verfassungsgericht? Ja, sagt die Grüne-Fraktion - wenn Beschlüsse des Abgeordnetenhauses dazu ignoriert und Gesetze missachtet werden. Weil der Senat seit 2003 keinen Energiebericht mehr veröffentlicht hat, muss er sich am Mittwochmorgen vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes verantworten.
Denn eigentlich schreibt das Energiespargesetz von 1990 Energieberichte vor. Es wurde damals von der rot-grünen Koalition unter dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper (SPD) verabschiedet. Ihm gemäß sollte die Energieversorgung in der Stadt neu geordnet werden: sparsam, günstig, sozial- und umweltverträglich. Dazu sollte der Senat alle vier Jahre ein neues Landesenergieprogramm aufstellen, und einmal jährlich in einem Energiebericht über Fortschritte Rechenschaft ablegen. Damit war die neue Hauptstadt ein Vorreiter moderner Energiepolitik: Das jahrzehntealte Gesetz hat ähnliche Eckpunkte wie die Klimaschutzgesetze in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, die im letzten Jahr eingeführt wurden.
Das letzte Landesenergieprogramm ist 2010 ausgelaufen, Energieberichte gibt es schon seit 2003 nicht mehr. In den Augen der Grünen verstößt der Senat damit nicht nur gegen geltendes Recht - das reichte für eine verfassungsrechtliche Klage nicht aus. »Der Senat ignoriert einfach, was das Abgeordnetenhaus beschlossen hat«, meint Michael Schäfer, energiepolitischer Sprecher der Fraktion. Das dürften sich Parlamentarier nicht gefallen lassen: »Da geht es um mehr als um Klimaschutz.« Deshalb entschlossen sich er und seine Parteigenossen 2012 auch zu dem Schritt, vor das Verfassungsgericht zu ziehen - um zumindest für die letzten Jahre wieder Energieberichte zu erzwingen. Das muss jetzt klären, ob der Fall überhaupt dort verhandelbar ist. Die Grünen sind zuversichtlich: »Es kann nicht sein, dass weder das Abgeordnetenhaus noch sonst jemand das Gesetz einklagen kann.« Ein Urteil erwarten sie zwar nicht für morgen, aber innerhalb kurzer Zeit.
Auch Grünen-Anwalt Hartmut Gaßner sieht die von Verfassung gesicherte Rechte des Parlaments verletzt. »Die Argumentation des Senats ist inakzeptabel«, sagt er. Der habe bis jetzt erläutert, die jährliche statistische Energie- und CO2-Bilanz des Landes reiche aus. Er müsse keine weiteren Berichte vorlegen, weil es derzeit gar kein Energieprogramm gibt. Außerdem handele es sich bei Energieeinsparungen nicht um »Vorhaben von grundsätzlicher Bedeutung«, bei denen er auskunftspflichtig wäre.
»Absurd« findet das Umweltsprecher Schäfer. »Seit fünf Jahren haben wir in Berlin keine energiepolitischen Maßnahmen mehr!« Dabei seien gerade Programme in Verkehr, Energieerzeugung und im Bereich Bauen und Wohnen längst überfällig. Für ihn ist damit auch das in Aussicht stehende Energiewendegesetz eine Farce. Dort stehe nicht viel mehr drin als im Energiespargesetz. »Wenn der Senat schon das nicht einhält - was bringt dann eine Neuauflage desselben Gesetzes?«
Der Senat hielt sich bis jetzt mit Hinweis auf das laufende Verfahren mit Stellungnahmen zurück. Bei der mündlichen Verhandlung heute vor dem Verfassungsgericht wird er sich äußern müssen.
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