Ewig mein, »Das Verein«

Eine musikalische Posse auf bürokratische Nebenwirkungen in der Neuköllner Oper

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.

Keine große Sache. Nur ein kleiner Verein, ein »Wesen«, das der Ordnung halber seine jährliche Hauptversammlung abhält. Widerwillig. Das kann man an der Tagesordnung erkennen. Die wahren Helden der Gesellschaft seien eben doch die Menschen, die sich am Sonntagnachmittag zu Hause hinsetzten und das Protokoll der jüngsten Sitzung nachbesserten, erklärt der große Vorsitzende von »Das Verein« - und schläft selbst fast ein bei seinem Rechenschaftsbericht. Nicht mal er will wissen, was er da widerwillig von seinen Zetteln zu entschlüsseln versucht. Lästig das alles. Bis hin zu den zu erklärenden Aufwendungszuwendungen, von denen die Protokollantin murmelt.

Die humorvolle Studioproduktion »Das Verein« von Thorbjörn Björnsson und Annika Stadler in der Neuköllner Oper ist eine Posse auf bürokratische Nebenerscheinungen, auf die sich, wie es heißt, freiwillig auf Dauer angelegten Zusammenschlüsse von »natürlichen und juristischen Personen zur Verfolgung eines bestimmten Zwecks« wohl oder übel einlassen müssen. Ein wahrer Spaß in der Reihe der Werke des »Instituts für Postneurotische Oper« in dem Neuköllner Musiktheater.

Aus Kontrollsucht räumt der Staat Vereinen kleine finanzielle Privilegien ein. In Berlin nehmen das über 6300 Gruppierungen in Kauf - vom Schachverein übers Kindergewusel bis zum Frauenstammtisch. Natürlich weiß man auch im Neuköllner Oper e.V. ein Lied davon zu singen. Es war also durchaus mal an der Zeit, das Thema theatermusikalisch aufzuarbeiten. In der Inszenierung ist »Das Verein« arg geschrumpft und müsste sich nach deutschem Recht auflösen, wenn man es genau nimmt. Zu viele Mitglieder kamen mit den Jahren abhanden. Vorsitzender Björnsson lässt die verbliebenen zwei Mitmacher bei dem Gedanken an ihre Liquidierung aus dem Vereinsregister erschaudern. Also wählen sich alle drei lieber vor Schreck gegenseitig wieder in die Vorstandsposten. Thorbjörn Björnsson soll weiter den Chef verkörpern, Vanessa Vromans lässt sich erneut auf die Protokollführung ein, Jérôme Quéron auf die Kassenprüfung. So können sie den gemeinsamen Zweck zusammen weiterverfolgen, welcher das auch immer sein mag. Hauptsache vereint. Für die unangenehme Versammlung haben sie es sich gemütlich gemacht. Kekse, Kaffee, Obst ... Essen und Trinken hält auch des Vereins Leib und Seele zusammen.

Sequenzen von 18 musikalischen Werken von Bach bis Verdi klingen in der musikalischen Posse gespielt und gesungen an. Wehklagend, wenn es um die Mühen des Vereinslebens geht. Fröhlich, wenn die Freude am Gemeinsamen im Spiel ist. Dargeboten wird das von Vanessa Vromans und ihrer Geige sowie Jérôme Quéron samt Blasinstrumenten an Klavier und elektronisch verstärkter Orgel. Der für seinen trockenen Humor bekannte Björnsson malträtiert wie ein übermütig gewordener Schaufelbagger die Pedale der Orgel mit den Händen. Eine herrliche Idee, den anderen einen Background zu bereiten.

Musikalisch und mit den Geschichten, die Menschen unterschiedlicher Herkunftsländer - hier sind es Island, Frankreich und Australien - als Wert in solch eine Gruppe einbringen können, zeigt die 70-minütige Inszenierung den Spaß an Gemeinsamkeit. Auch wenn »Das Verein« zwischendurch in eine Krise gerät. Gerade, als Björnsson die anderen seine »echten isländischen Pfannkuchen« kosten lässt, riecht es von woanders her verlockender nach frischen Eierkuchen. Die beiden Mitglieder verduften.

Da sitzt der große Vorsitzende plötzlich allein mit der schnaufenden Kaffeemaschine, bevor er sich selbst davonmacht und sich wie die anderen woanders im Verein hörbar engagiert. Aber sie kommen alle zurück. Na klar. Denn wie es war, ist es doch am schönsten. »Du bist ewig mein. Du, ›Das Verein‹«.

27., 28.2., 1., 2. und 6.3., 20 Uhr, Neuköllner Oper, Karl-Marx-Str. 131, Berlin, Tel.: (030)68 89 07 77; www.neukoellneroper.de

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