Kompromiss, Erfolg - oder Kurswechsel

Rrrreaktionen: Wie fällt die Bilanz des Europaparteitags in der Linken aus? Eine kleine Sammlung

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 5 Min.

(Update 24.2.2014) Die Sozialistische Linke hat den Europaparteitag aus ihrer Sicht bilanziert. Unter anderem begrüßt die Strömung, »dass mit der Wahl von Fabio de Masi die Mehrheit der Delegierten sich für wirtschaftspolitische Kompetenz und die Berücksichtigung der Anforderungen politischer und regionaler Ausgewogenheit entschieden haben - teils entgegen den Empfehlungen ihrer Landesspitzen«. Zugleich bedauere man, dass Sabine Wils nicht wieder aufgestellt wurde. »Für den bevorstehenden Parteitag im Mai geht es darum, mit Anträgen und in der Diskussion inhaltliche Impulse zu setzen und mit fundierten Argumenten für vernünftige und sozialistische Positionen einzutreten. Der neu zu wählende Parteivorstand sollte die Breite der Partei angemessen widerspiegeln. Für eine offene Diskussionskultur und gegen eine einseitige Dominanz von Teilen der Partei muss vermieden werden, dass einzelne Strömungen eine Mehrheit gegen alle anderen haben. Wir brauchen grundlegende Übereinstimmungen, politische Orientierungen und Schwerpunkte, die breite Mehrheiten in der Partei mittragen können und in die Bevölkerung ausstrahlungsfähig sind. Die Sozialistische Linke ist offen für Gespräche und Kooperation mit allen Kräften, die auf der Basis des Erfurter Grundsatzprogramms« die Linkspartei weiter entwickeln und stärken wollten. Der ganze Text hier

Die Kollegen der Zeitschrift »Sozialismus« schreiben, »der von Teilen der Medien und wohl auch Einzelnen in der Partei erwartete Eklat fand nicht statt, obgleich im Vorfeld ein massiver Streit programmiert schien«. Es sei kurz vor dem und auf dem Parteitag »gelungen, eine Kompromisslinie zu erarbeiten, die sowohl für die Präambel als auch für das Gesamtprogramm offenen Streit und Zerrissenheit vermieden und gleichwohl bei deutlicher EU-Kritik eine pro-europäische Orientierung signalisierten. Dass die Neufassung der Präambel den Delegierten erst am Eröffnungsmorgen des Parteitages vorlag, strapazierte zwar die demokratische Geduld des Parteisouveräns deutlich, insgesamt ermöglichte das Verfahren jedoch einen geordnete Befassung mit Präambel und Programm. Zwar war denn auch das von der FAZ herausgestellte «Gejohle» und «Geschreie» unüberhörbar, prägte den Parteitag jedoch nicht.« Und weiter: Festgehalten werden könne, »dass nach zugespitzten Debatten ein Kompromiss gewollt und auch erzielt wurde, der die Widersprüche zwischen den Strömungen und Flügeln zwar nicht auflöst, aber den Willen deutlich macht, diese in weiteren Debatten zu bewegen. Der politische Pluralismus in der LINKEN ist nach wie vor groß, aber Breite und Vielfalt sind nicht mehr notwendigerweise mit gravierenden innerparteilichen Verwerfungen verbunden. Es ist zudem sichtbar, dass immer weniger die Flügel, sondern Positionen, denen offenbar an der Festigung der Stabilität und Weiterentwicklung der Partei liegt, die Arbeit bestimmen.« Der ganze Text hier

Beim Forum demokratischer Sozialismus ist man enttäuscht, dass Dominic Heilig bei der Listenwahl nicht durchgekommen ist. »Noch wichtiger als Personalien, sind inhaltliche Debatten«, heißt es dann aber weiter. Und: »Wir haben die Kontroverse über den ursprünglichen Wahlprogrammentwurf des Parteivorstands eröffnet, engagiert geführt und auf unserem Bundestreffen im Dezember eine grundsätzliche Überarbeitung eingefordert. Diese ist uns mit dem am Samstag beschlossenen Wahlprogramm gelungen.« Auch habe man Positionen zum Feminismus, zur Regional- und Strukturpolitik, zur Bürgerrechtspolitik, zur Medienpolitik sowie mit dem Antrag »Eine Verfassung für Europa« durchsetzen können. Weiter heißt es dann: »Unseren Antrag zur Ersetzung des Kapitels Außenpolitik haben wir nicht zur Abstimmung gestellt, da der Parteivorstand zuvor wenigstens wieder auf die Basis der Kompromisse unseres Parteiprogramms zurückgekehrt ist. Auf Dauer ist jedoch die permanente Wiederholung unserer programmatischen Grundsätze kein Weg, notwendige Debatten zu umgehen.« Der ganze Text hier

Bei der Antikapitalistischen Linken heißt es, der Europaparteitag habe für die Linke »keine guten Beschlüsse gefasst«, ja, er sei sogar »in beispiellos undemokratischer Weise zu einem Kurswechsel zugunsten einer abstrakten Pro-Europa-Haltung gezwungen« worden. »Fraktionsvorstand und die sozialdemokratischen Teile der Partei haben eine Kritik an der Politik der EU, an Markt und Wettbewerb und Militarisierung verhindert«, heißt es weiter. »Die beschlossenen Papiere und gewählten Personen erschweren einen linken, antikapitalistischen Wahlkampf«, heißt es dann weiter, die AKL wolle sich aber selbstverständlich dennoch »am Wahlkampf beteiligen und für ein gutes Ergebnis der LINKEN kämpfen«. Die AKL plädiert nun zudem dafür, dass »es zügig zu einem engen Austausch und einer Debatte aller mit diesen Beschlüssen Unzufriedenen kommt«, diese sollten »sich an einer Stärkung radikaler antikapitalistischer Positionen beteiligen«. Der ganze Text hier

Die Linkspartei könne »sich sehen lassen mit diesem Programm, das eine grundsätzliche Kritik am Zustand und an der Basis der Europäischen Union verbindet mit vielen ganz konkreten Reformvorschlägen«, meint Torsten Löser in seiner Bilanz. »Blöd nur, dass die Kultur in meiner Partei oft aufhört, sobald es darum geht, zu wählen.« Und weiter: »Die Kultur des Streits, den wir pflegen, sagt eben viel darüber aus, wie ernst wir es wirklich meinen mit unserem alternativen Gesellschaftsmodell.« Der ganze Text hier

Die dem linksreformerischen Flügel und der zugespitzen Formulierung zuneigende Onlinezeitschrift »Potemkin« meint: »Der nun selbstdeklarierte Sieg der Reformer ist dabei eine taktische Eintagsfliege. Er gilt einer künftigen Fraktion, die einen Tag nach der Europawahl keiner mehr kennt. Er gilt Spitzenkandidaten, die in der Nacht nominiert werden mussten, weil sich keiner in der bundesdeutschen Öffentlichkeit für sie interessiert. Gegebenenfalls auch, weil die Öffentlichkeit besser keine Reden dieser Spitzenkräfte hören sollte. Er gilt einem Programm, das artig linke Restposten herunterrattert und eigentlich keinen Baum wert ist gefällt zu werden, allein für die Grundversicherung, dass Linke ganz anders sind als der Rest der Welt. Und er gilt Mehrheiten, die schon im nächsten Jahr andere sein könnten, wenn im Osten die Landtagswahlen absolviert sind und Interessenunterschiede in den östlichen Landesverbänden so geschickten Parteitagsbeherrscherinnen wie Wagenknecht erneut Optionen öffnen, Kompromisse nach ihrem Geschmack und nicht nach dem Gusto der Reformer auszuhandeln.« Der ganze Text hier

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