Relikt des Obrigkeitsstaats

Marcus Meier über das Streikverbot für verbeamtete Lehrer

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 2 Min.

Wenn beamtete Lehrer an Warnkstreiks teilnehmen, so gilt das auch künftig als unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst. Denn in Deutschland gilt »für alle Beamten unabhängig von ihrem Tätigkeitsbereich ein generelles statusbezogenes Streikverbot«, wie das Bundesverwaltungsgericht gestern bestätigte. Auch für Beamte »außerhalb des engeren Bereichs der Hoheitsverwaltung« - so wie verbeamtete Lehrer.

Nur am Rande: Es gibt auch angestellte Lehrer, gerade in Nordrhein-Westfalen kämpfen sie um gleiche Bezahlung und grundlegende Rechte. Sie dürfen natürlich streiken. Ob ihre oft befristeten Verträge dann allerdings verlängert werden, steht auf einem anderen Blatt.

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte mit dem Urteil vom Donnerstag einen Anachronismus. Grundlage des Beamten-streikverbots ist die Treuepflicht als wohl wichtigster der »hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums« (Artikel 33 Grundgesetz). Gewiss, im Gegenzug für ihre besondere Loyalität profitieren deutsche Beamte von Privilegien wie Beinahe-Unkündbarkeit und relativ üppiger Alimentierung während des Arbeitslebens und danach, sowie im Fall von Krankheit und Invalidität. Treuepflicht des Beamten und Fürsorgepflicht des Dienstherren bilden eine Einheit.

Als hergebracht dürfen solche Grundsätze gelten, wenn sie mindestens seit der Reichsverfassung von Weimar »als verbindlich anerkannt und gewahrt worden« sind, so das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1958. Der Zeitraum kann also auch das Kaiserreich umfassen und beinhaltet die zwölf braunen Jahre.

Die »hergebrachten Grundsätze« sind also alter, obrigkeitsstaatlicher Tobak, der durchaus nicht in Gänze als unantastbar gelten muss. Und sie stehen, was das Streikverbot betrifft, seit langem im Widerspruch zu europäischen Recht. Laut Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte haben auch Beamte ein Streikrecht. Dieses Recht sei wesentlicher Bestandteil des Rechts der Arbeitnehmer, »zum Schutze ihrer Interessen Gewerkschaften zu bilden« (Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention). Mit Ausnahme sehr spezifischer Fälle (Militär, Polizei etc.) müssten auch Beamte dieses Recht genießen, so die Straßburger Richter. Deutsche Verwaltungsgerichte sollten diese Rechtsprechung »direkt anwenden und in ihren Urteilen umsetzen«, fordert die DGB-Bildungsgewerkschaft GEW seit Langem.

Wie der Gesetzgeber die »Kollision« von Streikverbot und Europäischer Menschrechtskonvention auflösen soll, bleibt wohl das Geheimnis der Bundesverwaltungsrichter, die genau das einfordern. Das klingt nach Quadratur des Kreises. Es gebe wohl mehrere Möglichkeiten, deuten die Richter an. Im Gegenzug setzen sie »den Beamten günstige Regelungen« unter Beschuss, »etwa im Besoldungsrecht«. Weniger Treue, weniger Fürsorge!

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