Kultivierte Roboter

Technik, Kunst und Geisteswissenschaften begründen ein neues Forschungsfeld

  • Hans-Arthur Marsiske
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Rahmen der internationalen Konferenz über die Interaktion von Mensch und Roboter (HRI 2014) erlebte Bielefeld zu Wochenbeginn die Geburt eines neuen Forschungsgebiets. Beim Workshop »Culture Aware Robots« diskutierten Wissenschaftler darüber, wie Roboter kulturelle Kontexte wahrnehmen, sie verstehen und sich angemessen verhalten können.

An den Experimenten von Dante Arroyo und Francisco Cuellar von der Pontificia Universidad Católica del Perú waren auch Geisteswissenschaftler beteiligt, und der benutzte Quadrokopter wurde von einem Künstler gestaltet. Cuellar hob hervor, dass die peruanische Kultur stark von präkolumbianischen Traditionen der Maya geprägt und kaum mit Robotern vertraut sei. Die Forscher wollten untersuchen, wie dieser kulturelle Hintergrund die Haltung zu Robotern beeinflusst. Sie konfrontierten 30 Versuchspersonen mit verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten des Quadrokopters, der den Kopf bewegen und zwei LEDs in verschiedenen Farben leuchten lassen kann. Viele Gesten wurden recht unterschiedlich interpretiert. Aber wenn der Roboter bei laufenden Propellern mit dem Kopf nickte und die Augen rot glühten, löste das bei fast allen Teilnehmern Angst aus. »Was für die Amerikaner der Adler, ist für die Peruaner der Kondor«, sagte Arroyo. »Mit dem Nicken kündigt er einen Angriff an.«

In weiteren Experimenten wollen die Forscher erkunden, inwieweit sich traditionelle peruanische Tänze eignen, um fliegenden Robotern eine vorsichtige Annäherung an Menschen beizubringen. Mit Tanz hat sich auch Elizabeth Jochum (Universität Aalborg, Dänemark) intensiv beschäftigt. Puppenspiele - so Jochum - gebe es in praktisch jeder Kultur, sie stellten ein spannendes Bindeglied zwischen toter und belebter Welt dar und seien mit Bedeutung aufgeladen. In Japan werde vornehmlich mit Handpuppen gearbeitet und deren lebensechte Bewegung bewundert. In Europa hätten dagegen Marionetten größere Bedeutung. Die unterschiedliche Animationstechnik habe auch eine andere Bewegungsästhetik hervorgebracht: Während in Japan viel auf den Boden gestampft werde, führten Marionetten häufig fantastische Sprünge aus, die der Schwerkraft zu trotzen scheinen.

Ist es möglich, so anmutige Bewegungen zu automatisieren? Jochum untersucht das unter anderem im Rahmen des »Pygmalion Projects«, bei dem eine von Tänzern entwickelte achtminütige Choreographie durch Robotermarionetten dargestellt werden soll.

Die Roboter, die Michiel Joosse von der University of Twente (Niederlande) skizzierte, müssen sich nicht unbedingt anmutig bewegen. Aber vorsichtig sollen sie schon sein, ist es doch ihre Aufgabe, am Flughafen Amsterdam die Passagiere möglichst rasch zu ihren Zielen zu führen. Im Rahmen des EU-Projekts Spencer beschäftigt sich Joosse mit der Frage, wie sich solche Roboter auf angemessene Weise Gruppen von Menschen nähern können. Bislang sei nur die Annäherung an einzelne Personen untersucht worden, so Joosse. In einem Flughafen stelle sich zusätzlich die Herausforderung, dass sich dort Personen aus unterschiedlichsten Kulturkreisen bewegen, die sehr verschiedene Auffassungen und Traditionen von Nähe und Abstand haben können.

Ob peruanische Tänze hier eine Lösung bringen können, wird sich zeigen. Die Workshopteilnehmer waren jedenfalls hoch motiviert und wollen den Gedankenaustausch unter anderem durch die Einrichtung eines Webportals intensivieren.

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