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Wohnraum statt Konsumtempel

In Moabit sollen zwei Einkaufszentren entstehen / Kiezinitiativen protestieren dagegen

  • Heiko Lindmüller
  • Lesedauer: 3 Min.
In Moabit herrscht Goldgräberstimmung. Die Projektentwicklungsfirma HGHI will mit dem Bau eines Einkaufs- und Freizeitcenters auf dem ehemaligen Schultheiss-Areal beginnen.
Ehemalige Schultheiss-Brauerei
Ehemalige Schultheiss-Brauerei

Die gesamte Bruttogeschossfläche auf dem Areal der ehemaligen Schultheißbrauerei, auf dem die Berliner Investmentfirma HGHI bauen will, soll 52 000 Quadratmeter betragen, davon sind 20 000 für die eigentliche Shopping-Mall vorgesehen. Rund 120 Geschäfte sollen dort einziehen, darunter ein Elektronikmarkt und ein großes Food- und Non-Food-Filialunternehmen. In den anderen Bereichen sollen unter anderem ein Fitness-Center und »hochwertige Gastronomie« angesiedelt werden. Neben dem Areal wird ein Hotel mit 300 Betten entstehen.

Am Mittwochabend stellten der Investor und der Stadtrat für Stadtentwicklung des Bezirks Mitte, Carsten Spallek (CDU), das Projekt auf einer öffentlichen Veranstaltung über 200 interessierten Bürgern vor. Während der HGHI-Vertreter Mathias Hellriegel ein »stimmungsvolles Zentrum« mit hoher Aufenthaltsqualität versprach, gab es vonseiten der Veranstaltungsteilnehmer heftige Kritik an dem Projekt. Denn die geplante Shopping-Mall befindet sich im Sanierungsgebiet Aktives Zentrum Turmstraße, wo derzeit mit hohem Aufwand versucht wird, den seit Jahrzehnten zu verzeichnenden Niedergang des Einzelhandels zu stoppen und die traditionsreiche Geschäftsstraße wieder zu beleben. Es wurden massive Zweifel daran geäußert, ob sich dieses Ziel mit dem Bau eines Einkaufszentrums vereinbaren lässt. Zumal nur wenige Meter neben dem Schultheiss-Areal auf dem Parkplatz des ehemaligen Hertie-Kaufhauses ein weiteres Einkaufszentrum entstehen soll.

Wo solle denn ausgerechnet im nördlichen Moabit, einem Gebiet mit überdurchschnittlich vielen Geringverdienern und Hartz-IV-Empfängern, die Kaufkraft für zwei zusätzliche Einkaufszentren und weiterer Einzelhändler auf der Turmstraße herkommen, fragte ein Mitglied der Stadtteilvertretung des Sanierungsgebietes. Andere wiesen auf die zusätzliche Verkehrsbelastung hin; schon heute fahren auf der Stromstraße durchschnittlich 32 000 Pkw pro Tag.

Spallek wies die Kritik zurück, ohne auf die Punkte konkret einzugehen. Er verwies darauf, dass sowohl die Auswirkungen der Shopping-Mall auf die Geschäftsstraßenentwicklung als auch die Verkehrsproblematik von Experten geprüft worden seien. Außerdem gehe man davon aus, dass das Zentrum auch viele Konsumenten aus anderen Stadtteilen anziehen würde. Ähnlich äußerte sich Hellriegel. Die Bitte einiger Teilnehmer, in die konkreten Bauplanungen für das Mammutprojekt besser einbezogen zu werden, wies er allerdings zurück. Dem Gebot der Bürgerbeteiligung sei im Rahmen der Planung ausreichend Genüge getan worden.

Befürchtungen grundsätzlicher Art äußerten Vertreter von Mieterinitiativen, die auf der Veranstaltung mit Transparenten und Flugblättern präsent waren. Sie sehen die Ansiedlungspolitik des Bezirksamts auch als Teil einer Strategie, die auf Verdrängung alteingesessener Anwohner durch kaufkräftigere Zuzügler setzt. In dem Flugblatt heißt es: »Statt protziger Konsumtempel bräuchte der Kiez etwas ganz anderes: Bezahlbaren Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung. Doch das Bezirksamt sieht sich außerstande, der Verdrängung ärmerer Bevölkerungsteile auch nur ansatzweise etwas entgegenzusetzen.« Gefordert werden unter anderem der Erlass von Milieuschutzsatzungen im Sanierungsgebiet und ein konsequentes Vorgehen gegen die Zweckentfremdung von Wohnungen durch Anbieter von Ferienappartements.

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