Treibstoff für die Wettermaschine

Sachsens LINKE beschließt Programm für Landtagswahl im August / Bekenntnis zu Bündnis mit SPD und Grünen soll Wechselstimmung fördern

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Fünfeinhalb Monate vor der Wahl in Sachsen hat die LINKE einstimmig ein Programm beschlossen, das soziale Themen ins Zentrum und die Wirtschaft an den Anfang stellt.

Sage keiner, dass die jungen Genossen in Sachsen nicht vielseitig interessiert seien. Als die sächsische LINKE am Samstag im Dresdner Flughafen über ihr Programm für die Landtagswahl am 31. August beriet, lagen vor den gut 150 Delegierten zwei dicke Hefte mit 159 Ideen für Änderungen und Ergänzungen. Allein 85 kamen vom Jugendverband [´solid]. Die Spanne reichte von der Abschaffung des Theologiestudiums über die Umwandlung der Fünfprozenthürde in ein Quorum von 0,84 Prozent bis zur Abschaffung des Tanzverbots an kirchlichen Feiertagen. Auch andere Genossen hatten eher spezielle Vorstellungen dazu, mit welchen Ideen die LINKE um Wählerstimmen werben solle: Im Antrag 1.27 wurde gefordert, der MDR solle sein aus Kostengründen eingestelltes Magazin für Eisenbahnfreunde wiederbeleben.

Womöglich war es diese Forderung, die den Landtagsabgeordneten Enrico Stange eine Mahnung aussprechen ließ: Ein Wahlprogramm könne »nicht alle Details mit der Präzision eines Kursbuchs« regeln. Schon der Entwurf des Programms umfasste schließlich 100 Seiten. Angesichts des Umfangs regte sich vereinzelt Skepsis. Es handle sich sicher »nicht um das Programm der knalligsten Losung«, gestand Mitautor Stefan Hartmann ein: »Aber es ist das Programm der besten Konzepte.«

Im Kern stützt sich die LINKE dabei auf Themen, die ihre Wähler von den Genossen erwarten: »Soziale Sicherheit, soziale Gerechtigkeit sowie sozialer Zusammenhalt sind die Leitgedanken«, sagt Rico Gebhardt, Landeschef und designierter Spitzenkandidat. Zugleich stellt sich die Partei der Erkenntnis, dass »alles, was verteilt werden soll, erst mal produziert werden muss«. Deshalb, so Gebhardt, stünden die Themen Arbeit und Wirtschaft im Programm an erster Stelle. Zudem bemühen sich die Genossen, möglichst viele Wählergruppen mit ihren konkreten Sorgen anzusprechen; es gibt eigene Kapitel für Kleingärtner und Freiwillige Feuerwehren, für den öffentlichen Dienst und für Mittelständler. Generell, sagt Gebhardt, wolle die LINKE in Sachsen »Wahlkampf führen im Interesse aller Menschen im Land, die nicht als Dividendenempfänger und Vermögensbesitzer ihren Unterhalt bestreiten können«.

Wie sehr diese übergroße Mehrheit der Sachsen bei ihrer Wahlentscheidung auf die LINKE setzt, ist offen. Zwar postuliert die Partei einen politischen Wechsel und will die seit fast einem Vierteljahrhundert regierende CDU ablösen. Umfragen deuten derzeit aber noch nicht auf einen Wechsel hin; zuletzt lagen die Christdemokraten, die 2009 auf 40,2 Prozent gekommen waren, bei 42 Prozent; die LINKE wurde bei 22 Prozent geführt (2009: 20,6 Prozent), die SPD bei 15 (2009: 10,4). Die Grünen müssten um den Wiedereinzug bangen, die derzeitige Regierungspartei FDP würde ihn verfehlen; die NPD könnte durch die »Alternative für Deutschland« (AfD) ersetzt werden.

Angesichts der Zahlen setzt Gebhardt auf klare politische Ansagen und appelliert an SPD und Grüne, sich zu Rot-Rot-Grün zu bekennen. Die drei Parteien teilten bei allen programmatischen Differenzen, »auf die wir stolz sein sollten«, auch ein gemeinsames »Wertefundament«, das in gemeinsamen Initiativen im Landtag deutlich geworden sei. »Wenn wir diesen Fakt nicht verschweigen«, sagte er im Beisein von Sachsens SPD-Chef Martin Dulig, gebe man den Bürgern »die Chance, eine politische Wechselstimmung zu erzeugen«.

Vor Resignation warnt auch Tilman Loos, der jugendpolitische Sprecher der Landespartei. Beim Wetter seien Umschwünge von den Launen der Natur abhängig, sagte er den Delegierten. In der Politik könne man sie dagegen gezielt in Gang setzen. Zwar gebe es derzeit tatsächlich noch keinen Drang zum Umschwung im Land, räumte er ein - aber das lasse sich ändern: »Schmeißen wir die Wettermaschine an und versuchen, Wechselstimmung zu produzieren!«

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