»Wir sind keinen Einschränkungen unterworfen«

Der LINKE-Abgeordnete Torsten Koplin über seine Endrücke als Beobachter des Krim-Referendums in Jalta

  • Lesedauer: 3 Min.
Torsten Koplin und Hikmat Al-Sabty, zwei Linkspartei-Abgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern, waren als Beobachter des Referendums auf der Krim unterwegs. In der Linkspartei löste die Nachricht über die Reise Überraschung aus. Parteisprecher Alexander Fischer sagte, die Reise sei »weder mit Wissen noch mit Billigung« der Parteiführung erfolgt. Mit dem Chef des Landtags-Finanzausschusses Torsten Koplin sprach René Heilig.

nd: Sie sind als Beobachter der Abstimmung auf der Krim. Wo genau?
Koplin: Ich bin in Jalta und Umgebung unterwegs. Die Krim-Regierung hat gegenüber dem Europäischen Zentrum für Geopolitische Analyse e.V. eine Einladung ausgesprochen. Der Verein fühlt sich der Völkerfreundschaft, der Freiheit, der Demokratie und der Menschenwürde verpflichtet.

Wie frei können Sie sich bewegen?
Wir sind keinen Einschränkungen unterworfen. Wir haben eine Liste bekommen, auf der knapp 70 Wahllokale der Region verzeichnet sind. Bisher waren wir in sieben, sprachen mit dem Vizebürgermeister und der Wahlleiterin dieses Gebietes. Lediglich in einem Wahllokal wollte man uns den Zutritt verwehren. Das wurde aber umgehend geklärt. Die Wahlabläufe entsprechen im Grundsatz denen, die wir praktizieren. Es gibt einen Unterschied: Eine Briefwahl ist nicht möglich. Dafür gibt es sogenannte Fliegende Wahlurnen für Menschen, die beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen kein Wahllokal aufsuchen können. Wer auf diese Art abstimmen wollte, musste das bis zum Samstag 20 Uhr bekanntgeben.

Wie stark ist in Ihrer Region das Interesse an der Abstimmung?
Es wird sehr rege und selbstbewusst vom Wahlrecht Gebrauch gemacht. Allerdings: Die Krim-Tataren boykottieren zumeist das Referendum. Zudem wurde uns gesagt, dass seit 14 Tagen das ukrainische Fernsehen abgeschaltet wurde und nur das russische zu empfangen ist. Das wäre auch eine Form der Beeinflussung bei der Wahlvorbereitung.

Haben Sie aktuell Unregelmäßigkeiten festgestellt?
Bisher nicht. Die Wahlurnen sind aus Plastik und durchsichtig. Die Bürger können ihren Wahlzettel falten oder offen einwerfen. So machten viele deutlich, wie sie votiert haben. Wir sahen sowohl Stimmen für den Anschluss der Krim an Russland wie auch für den Verbleib in der Ukraine auf der Grundlage der Verfassung von 1992.

Mein Eindruck ist, dass die Pro-Russland-Stimmen überwiegen. Das kann ich natürlich nur für die Wahllokale sagen, in denen ich war. Ich rechne mit einer sehr, sehr großen Mehrheit für die Angliederung der Halbinsel an Russland. In Gesprächen nannte man uns soziale und ökonomische Gründen, doch immer wieder wies man auch auf die faschistische Gefahr hin, die sich aus der aktuellen Situation in Kiew ergeben würde. Man befürchtet, diese Kräfte könnten an Kraft gewinnen. So betrachten viele das pro-russische Votum als eine Art Schutz.

Wie die Teilnehmer des Referendums tatsächlich entschieden haben, wird sich bei der Auszählung zeigen, die in den Wahllokalen stattfinden. Wir werden natürlich dabei sein.

Die Sicherheitssituation auf der Krim lässt vielen den Urnengang suspekt erscheinen. Gibt es viele Bewaffnete auf den Straßen?
Wenn man nicht aus dem Fernsehen andere Bilder aus der vergangenen Woche kennen würde, könnte man glauben, es gebe hier kein Militär, keine Polizei. Vor den Wahllokalen trifft man maximal auf zwei örtliche Polizisten, dazu ein paar ehrenamtliche Helfer. Die sollen die Polizisten im Falle von Provokationen unterstützen. Wir haben nach ihren Kompetenzen gefragt. Es hieß, sie dürften keinerlei Repressalien ausüben.

Die Bundesregierung lehnt das Referendum grundsätzlich ab. Aber auch innerhalb Ihrer Partei gibt es Stimmen, die Ihre Tätigkeit vor Ort nicht gutheißen.
Meine Arbeit als Wahlbeobachtung ist keinerlei Parteinahme. Es geht um einen authentischen Eindruck. Ich denke, dass Informationen, die wir bürgerlichen Medien entnehmen können, nicht ausreichend sind.

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