Bernd schießt quer

Mariakron zeigt ein Stück im Stück im Theaterdiscounter

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Stück im Stück. Eine Theatertruppe setzt zum wahrhaftigen Spiel an, um es mit ihrer Inszenierung von »Pascal’s Reise ins Glück, Operation Germanenkind« mal der Gesellschaft zu zeigen. Wenn es in der Geschichte um einen Jungen mit Down-Syndrom geht, dann soll es echt sein. Sie nehmen Bernd in ihre Reihen auf. Er ist so einer. Einer mit Trisomie 21. Alles lässt sich gut an. Bernd hat Fantasie. Wie ein Baum im Wind will er sich fühlen. Er spielt mit.

Die Proben sind in vollem Gange, wenn das Stück »Mongoflipper. Eine krasse Farce«, in dem sich »Pascal’s Reise ...« abspielen soll, im Theaterdiscounter beginnt. Erzählt wird darin von Pascal, dessen Eltern nach Heilung für ihr geliebtes Kind suchen und dem esoterisch-faschistischen Internisten Dr. Hagemann auf den Leim gehen. Er verspricht viel, will aus Pascal ein gesundes deutsches Kind machen. Grandiosen beruflichen Erfolg könnte ihm das bringen.

Das wird natürlich nichts. Alle - nicht nur Bernd als Pascal - geraten bei der Produktion des Stücks in eine Überforderungssituation. Damit, dass der Junge plötzlich vehement seine Ideen ins Spiel bringen will, können die Schauspieler irgendwann nicht mehr umgehen. Als er schließlich - vom Stück inspiriert - faschistische Losungen ausstößt, platzt den Schauspielern der Kragen. Schließlich hätten sie sich bemüht, jemanden einzubeziehen, der anders ist. Nun schießt Bernd quer. Das könne doch wohl nicht wahr sein.

Wahrlich gerät das alles zur Farce, umgesetzt von Mariakron. Die sich so nennende Theatertruppe kriecht nach eigener Beschreibung seit 2010 mit variierenden Mitstreitern durch das Tal der Lächerlichkeit, um irgendwann in ferner Zukunft auf der Seite des Ruhms wieder hervorzukommen. Die lockere, ironische Herangehensweise ändert nichts an der Ernsthaftigkeit der Themen, die die Schauspieler um den Regisseur Cornelius Schwalm zwischenzeitlich angehen.

Im aktuellen Stück, in der die sogenannte neue germanische Medizin eine Rolle spielt, ist der antisemitische Arzt Geerd Ryke Hamer Vorbild für ihren Dr. Hagemann. Ansatzweise gehen sie bei diesem Vorhaben dem Zusammenhang von Esoterik und Faschismus nach. In überhöhter Art präsentiert, kann das alles beim Zuschauer Gedanken in Gang setzen.

Zur Thematik Behinderte im Theater soll das ebenso geschehen. Die Schauspieler bringen zahlreiche Fragen ins Spiel. »Wie reagieren wir«, ist eine, »wenn der Behinderte nicht das tut, was wir unbewusst von ihm verlangen?« Im Stück wird deutlich, wie sich nach großer Ratlosigkeit Aggression Bahn bricht. Der »Wie-auch-immer-Behinderte«, sagen sie, tauge heute allein längst nicht mehr für eine Menagerie des Abnormen. Dies sei mittlerweile an die sogenannte Unterschicht delegiert worden. Entsprechend bitter ist der Humor, den die Truppe hier vorführt. Denn da ist durchaus etwas dran, wenn man bedenkt, dass sich ein Mensch mit Hartz-IV-Budget in einem Staat, der Banken rettet, keine Brille leisten kann, ohne dafür hungern zu wollen.

Die Geschichte um Bernd und die Theatertruppe mit den Schauspielern Silvina Buchbauer, Jörg Kleemann, Mareile Metzner, Matthias Rheinheimer, Stephan Thiel und Verena Unbehaun ist vom Spiel her eine gelungene Farce. Lächerlich stehen die Mimen in den Nazi-Uniformen da, weil sie nicht wissen, wie sie in der Probe fortfahren sollen, während Bernd interveniert.

Im Theaterdiscounter, der viele Möglichkeiten bietet, eine Bühne zu platzieren, scheint jedoch der Raum das Stück nicht zu wollen. Wie das »Spielfeld« bei der Premiere eingerichtet war, konnte man zeitweise kaum etwas verstehen. Die Bühne selbst verschluckte das Stück. Die Akustik war grottenschlecht und produzierte nunmehr eine Farce ungewollter Art. Schade drum. Aber das lässt sich ändern.

20.-22.3., 20 Uhr, Theaterdiscounter, Klosterstraße 44, Mitte, Tel.: (030) 28 09 30 62; www.theaterdiscounter.de

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