Zivilisierung der Werkverträge?
NRW-Initiative läuft offenbar ins Leere
Arbeitsminister Guntram Schneider ist wohl der einzige echte Sozialdemokrat in der rot-grünen Landesregierung Nordrhein-Westfalens. So will der einstige Chef des DGB-Landesbezirks NRW Leiharbeit und »dubiose Werkverträge« begrenzen. Letztere boomen aus seiner Sicht, weil Erstere wenig reguliert wurde. Fast alle Branchen seien mittlerweile davon betroffen. Personalkosten würden gespart, Arbeitnehmerrechte umgangen, klagt der Gewerkschafter im Kabinett von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), der allerdings zwischen zwischen echten und »Schein-Werkverträgen« zu unterscheiden pflegt.
Durch Werkverträge delegieren Unternehmen gleichsam die Produktion an Subunternehmer - die kassieren eine Pauschale. Gelackmeiert sind jene, die die Arbeit verrichten müssen und dabei meist schlechter dastehen als ihre Kollegen aus der Stammbelegschaft - sofern man von einer solchen noch sprechen kann. Leiharbeit und Werkverträge können sinnvoll sein, doch würden sie zu oft missbraucht, betont Schneider unter Berufung auf ein Gutachten, das er jüngst vorstellte. Abschaffen will er beide Instrumente entsprechend nicht. Aber »zivilisieren«.
Konkret will er die Rolle der Betriebsräte stärken, Beweislasten umkehren (ist das ein »echter« Werkvertrag und ist er wirklich alternativlos?) und dafür sorgen, dass Leiharbeiter spätestens nach neun Monaten denselben Lohn erhalten wie die Stammbelegschaft. Letztlich will Schneider »die Gleichbehandlung von Leih- und Stammpersonal« vorantreiben. »Das ist der erste konkrete Vorschlag für eine Eindämmung des Missbrauchs von Leiharbeit und Werkverträgen«, erklärte der Dortmunder. »NRW setzt damit die Messlatte hoch für alle folgenden Diskussionen.«
Doch Schneiders Initiative - in diesen Tagen vorgestellt vor der Bundespressekonferenz in Berlin, wenn auch bei bescheidener medialer Resonanz - droht inzwischen zum Rohrkrepierer zu werden. Das Bundesarbeitsministerium in Berlin, geführt von Schneiders Genossin Andrea Nahles, mochte sich zu den Vorschlägen zunächst nicht äußern. Auf Nachbohren hieß es immerhin, man werde »das Thema« noch in diesem Jahr anpacken. Entsprechendes sei längst im Koalitionsvertrag mit den Unionsparteien vereinbart. Das ist immerhin fast halb richtig.
Man darf wohl sagen: Nahles' Mitarbeiter ließen Schneider wie einen übereifrigen Schuljungen dastehen. Kritik kommt auch von links: Schneiders Vorschläge seien nicht ambitioniert genug, meint Rüdiger Sagel, NRW-Landeschef der Linkspartei. »Sie greifen zu kurz und lösen das Problem nicht«, so der Politiker, der immerhin einräumt, Schneiders gute Absicht sei erkennbar. Sagels Alternative: »Diese Arbeitsverträge zur Lohnsenkung müssen ganz verboten werden. Das gilt auch für Werkverträge, die nichts anderes als verbriefte Urkunden moderner Sklaverei sind, um es drastisch auszudrücken.«
Aber immerhin müssten die Unternehmen doch nach Schneiders Willen nachweisen, dass sie eine »echte« und keine Schein-Werksvertrags-Lösung etablierten? Sagel mag das nicht gelten lassen. »Das schafft nur einen einen enormen Prüfungs- und Verwaltungsaufwand«, befürchtet der 58-Jährige. Die Bürokratie werde zunehmen, das Problem aber nicht gelöst. »Denn die Arbeitgeber«, so Sagel, »würden wieder neue Mittel und Wege finden, die Regelungen zu unterlaufen.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.