Bayern probt den Gipfelsturm

Im Sommer 2015 werden die Mächtigen der Welt bei Garmisch-Partenkirchen erwartet

  • Rudolf Stumberger, Elmau
  • Lesedauer: 6 Min.
In gut einem Jahr treffen sich die Mächtigen bei Garmisch-Partenkirchen. Noch sind die Vorbereitungen der Gipfelgegner schleppend. Die Polizei bekommt aber schon einmal ein neues Funknetz.

Politik, Polizei und Geheimdienste sind schon fleißig, die Gipfelgegner wirken noch ein wenig lahm: 2015 wird der Weltwirtschaftsgipfel G8 - oder nun wohl vorerst wieder G7- in den bayerischen Wäldern auf Schloss Elmau bei Garmisch stattfinden.

Und das Großereignis wirft seine Schatten bereits sehr spürbar voraus: Derzeit wird in der Region bereits ein neues digitales Funksystem für die Sicherheitskräfte installiert. Die Grünen im Landtag haben schon mal in einem Antrag von der bayerischen Staatsregierung gefordert, sie solle darlegen, »wie bei der Planung der Sicherheitskonzeption des G8-Gipfels das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit größtmögliche Beachtung finden wird«. Und bislang eher allein auf weiter Flur hat ein »Revolutionäres Bündnis« im Internet einen »Gipfelsturm« in Bayern angekündigt.

Wer die kommunale Mautstraße von der Ortschaft Klais bei Garmisch-Partenkirchen hinauf zum Schloss Elmau befahren will, muss vier Euro bezahlen. Der Mann im Wärterhäuschen macht sich einen Scherz: »Für Handwerker, Lieferanten und den Putin ist es umsonst.« Dabei ist es momentan doch wegen der Krimkrise eher unwahrscheinlich, dass Russlands Staatschef Wladimir Putin hierher in die bayerischen Berge kommt, zum Gipfeltreffen der wichtigsten Wirtschaftsnationen im Juni kommenden Jahres.

Doch ob G8 oder nur G7, die Vorbereitungen für das Politikertreffen der Superlative laufen jedenfalls bereits auf Hochtouren, vom Bundeskanzleramt in Berlin über die Staatskanzlei in München bis zum bayerischen Wettersteingebirge.

Helikopter im Tiefflug

»Heute früh flog ein Hubschrauber im Tiefflug über das Tal«, sagt Dietmar Müller-Elmau, »der hielt nach Landeplätzen Ausschau«. Wir sitzen im Teesalon des luxuriösen Fünfsternehotels »Schloss Elmau«, der Blick aus den Fenstern geht hinauf in die Steinwand des Wettersteinkamms, über dem heute ein strahlend blauer Himmel liegt. Drei Stunden Fußweg entfernt befindet sich das Schachenschlösschen, das König Ludwig II. als großzügige Jagdhütte diente.

Auch Schloss Elmau passt äußerlich ganz gut in das royale Gepräge des exzentrischen katholischen Königs »Kini«. Tatsächlich aber ist das herrschaftlich wirkende Schloss aber ein durch und durch bürgerliches Projekt. Gut zehn Teetische hinter uns befindet sich an der Wand eine Bronzefigur: Sie zeigt Johannes Müller, den Großvater von Dietmar Müller-Elmau. 1916 erbaute der seinerzeit bekannte und verehrte zivilisationskritische Theologen und Philosoph mit finanzieller Unterstützung von Elsa Gräfin von Waldersee das Schloss Elmau. Es sollte für seine Leser ein Ort der Stille und unberührter Natur werden, zur Aufführung kamen Konzerte und Tanzabende. Zu seinen Bewunderern gehörten der Politiker Walter Rathenau und der Philosoph Martin Buber.

In der Zeit des Nationalsozialismus nahm Müller eine widersprüchliche Position ein, einerseits begrüßte er Hitler als den Sieg des »Gemeinnutz über den Eigennutz«, lehnte andererseits aber den Antisemitismus der Nazis als »Schande für Deutschland« ab. Ab 1945 nutzte die US-Armee zunächst das Schloss, bis es 1947 vom bayerischen Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte in Beschlag genommen und bis 1951 als Sanatorium für »Displaced Persons« genutzt wurde. Danach gelangte Elmau als Hotel und Konzertort wieder unter die Regie der Familie Müller, zunächst als Pachtobjekt, dann als Erbschaft.

Heute ist das Schloss ein weitläufiges Hotel mit 170 Zimmern und einem großen Wellnessbereich. Auch Angela Merkel war schon mal hier, sogar noch, bevor sie Bundeskanzlerin wurde. Der Aufenthalt scheint ihr recht angenehm gewesen zu sein, jedenfalls entschied sie im Februar, dass das Hotel nun Austragungsort des Gipfels vom 4. auf den 5. Juni 2015 sein soll.

In diesem Jahr hat Deutschland wieder die Präsidentschaft des Wirtschaftstreffens inne, zuletzt war das 2007 der Fall, damals trafen sich die Politiker in Heiligendamm an der Ostsee.

Baupläne sind einzureichen

Seit die offizielle Benachrichtigung aus Berlin kam, nimmt der Hotelchef an sehr vielen Besprechungen von Behörden und Institutionen teil. Da gibt es einen Leitungsausschuss in der bayerischen Staatskanzlei, Treffen von Landeskriminalamt und Polizei. »Das ist ein unglaublicher Aufwand«, so Müller-Elmau - und ist zugleich beeindruckt »von der Präzision deutscher Behörden«. Derzeit ist er dabei, die Baupläne des Hauses den verantwortlichen Stellen zur Verfügung zu stellen. Wohnen werden die Gäste wahrscheinlich in einem bis 2015 fertiggestellten Neubau mit Suiten von 200 Quadratmetern.

Dass große Ereignisse auch lange Schatten vorauswerfen, zeigt sich beim Ausbau des abhörsicheren Digitalfunks für die Polizei: Das Oberland soll bevorzugt mit Sendemasten bestückt werden. So vermeldete das bayerische Innenministerium bereits am 27. Februar des Jahres: »Die Vorbereitungen aller bayerischen Einsatzkräfte der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben auf den G8-Gipfel am 4. und 5. Juni 2015 im oberbayerischen Elmau sind in vollem Gange.«

Der Aufbau des Digitalfunknetzes in Bayern schreite voran und gehe nach und nach in Betrieb, von den knapp 900 Basisstationen, die bayernweit für ein flächendeckendes Netz benötigt werden, seien 81 Prozent fertiggebaut. Die Netzabschnitte München, Mittelfranken und Oberbayern Nord sind bereits in Betrieb, Unterfranken und das nördliche Schwaben stehen in nächster Zeit zur Inbetriebnahme an.

Der für den Gipfel zuständige Netzabschnitt Oberbayern Süd sollte nach bisherigen Planungen erst im Herbst 2015 in Betrieb genommen werden. Aber: »Jetzt werden wir mit Nachdruck dafür sorgen, dass im gesamten Einsatzbereich schon vor Beginn des G8-Gipfels der Digitalfunk steht«, erklärte der bayerische Innenminister und Sicherheits-Hardliner Joachim Herrmann (CSU).

Der Umfang und die Bedeutung des Gipfel-Einsatzes erforderten jetzt die Konzentration der Aufbauarbeit auf diesen Einsatzbereich, hieß es weiter. Wie viele Polizisten rund um Elmau zum Einsatz kommen und dann den digitalen Polizeifunk nutzen werden, ist noch unklar. In Heiligendamm waren 2007 immerhin 17 000 Beamte im Einsatz.

Denen standen mehrere Tausend Aktivisten gegenüber, die ihren Protest gegen die Politik der Herrschenden zum Ausdruck brachten. Ob das auch in Elmau so sein wird, ist noch unklar.

Der bayerische Verfassungsschutz weiß eigenen Angaben zufolge bislang noch von keinen geplanten militanten Kampagnen. Demgegenüber will das »Revolutionäre Bündnis«, »in Anlehnung an die erfolgreichen Proteste gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm, mit vielen anderen Bündnissen, Initiativen und Organisationen aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland Massenproteste gegen den Gipfel organisieren«.

Demonstranten aus dem Süden?

Die geografische Lage des Alpengipfels werde wohl dazu führen, »dass deutlich mehr DemonstrantInnen aus südeuropäischen Ländern wie Spanien, Italien und Griechenland an den Demonstrationen und Aktionen teilnehmen werden. Diese dort lebenden Menschen haben zudem ganz besonders unter der deutschen Ausbeutungspolitik in Europa zu leiden und zahlreiche Gründe, um gegen den Gipfel unter deutschem Vorsitz zu stürmen.«

Das Bündnis definiert sich im Internet als einen Zusammenschluss von Organisationen, »die das gemeinsame Ziel verfolgen, eine klassenkämpferische und revolutionäre Theorie und Praxis zu entwickeln.« Viele Organisationen aber sind noch dabei, sich eine Meinung über eine Reaktion auf den Gipfel zu bilden. »Es gibt noch keine Absprachen, ob für Elmau ähnlich wie für Heiligendamm mobilisiert wird, ist unklar«, so Hanno Bruchmann von der »Interventionistischen Linken« zum Stand der Diskussion.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal