Polnische Katerstimmung
Warschau sieht sich vor der Quadratur des Kreises
»Putin will Teilung erzwingen« titelte die konservative »Rzeczpospolita« auf ihrer ersten Seite. Die liberale »Gazeta Wyborcza« wollte nicht nachstehen: »Der Ukraine nehmen sie den Landesosten weg«, klagte sie. Im katholisch-nationalistischen »Nasz Dziennnik« sah man »weitere Aggressionsopfer«, das Boulevardblatt »Super-Express« vermeldete »Lebende Schutzschilde vor anrückenden Separatisten«. Staatliche und private Fernsehstationen bewegen sich im selben Kreis und bezweifeln den Sinn des für Donnerstag geplanten Genfer Vierertreffens zur Ukraine. Bei »Onet« kam am Montag der alte USA-Stratege Zbigniew Brzezinski zu Wort: »Die Ukrainer müssen kämpfen, dann wird der Westen militärisch helfen.«
Treffend kommentierte der bekannte Publizist Daniel Passent in »Polityka« die Stimmung im politischen Polen: »Ukrainischer Kater«. In ihrer Vorreiterrolle an der Anti-Putin-Front sehe sich die polnische Diplomatie vor einer Quadratur des Kreises. »Wie kann man die für uns wichtigen Beziehungen mit Russland retten und zugleich die Ukraine unterstützen, die ein wichtiger Faktor der regionalen Sicherheit ist, sich aber nicht vor den russischen Streitwagen spannen lässt?« Selbst dem konservativen Autor Jerzy Haszczynski ist aufgefallen: »Mit allen Kräften zog Polen die Ukraine und einige weitere postsowjetische Staaten in den Westen und war sich doch dessen bewusst, dass dies eine große geopolitische Partie mit Moskau ist.« Habe man denn wirklich glauben können, dass man dies im Kreml nicht sieht?
In der »Volksmeinung«, soweit sie sich aus den teilweise widersprüchlichen Umfragen ablesen lässt, gärt seit dem Aufruhr auf dem Kiewer Maidan ein zwiespältiges Verhältnis zur »ukrainischen Frage«. In Polen entstand nämlich der Eindruck, als seien die Nachkommen der westukrainischen »Bandera-Leute«, die 1944/45 erbarmungslos die Polen im heute westukrainischen Wolhynien niedergemetzelt hatten, als Freiheitskämpfer der »Swoboda« und des »Rechten Sektors« plötzlich zu unseren Freunden geworden. Die Frage steht im Raum, ob das nur die Folge einer Russophobie ist.
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