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Brutzeln und protestieren
Sarah Liebigt stellt die rote Fahne schon mal neben den Grill
»Maifeier der Arbeit! Maifeier der Demokratie! Maifeier des Friedens!« »Samstags gehört Vati mir.« »Vorschlag für den Ersten Mai: Die Führung zieht am Volk vorbei.« »Zusammen kämpfen!« Losungen wie die der Gewerkschaften 1946 und 1956, von Bürgern in der DDR 1989, der wieder gemeinsam demonstrierenden linksradikalen Gruppen 1999 sind Geschichte.
Heute laden vormittags rote Ballons zur Gewerkschaftskundgebung, nachmittags rote Cocktails zum Myfest sowie schließlich abends rote Fahnen zur 18-Uhr-Demonstration. Ergänzt wird all das alljährlich von Debatten um eine Entpolitisierung dieses Tages, der Geschichte atmet und lebt wie nicht all zu viele andere.
Neben Freizeit- und Berufspolitikern, Journalisten und Polizeibeamten, die sich im Berliner Frühjahr ungern einem anderen Thema widmen, gibt es eine Fraktion, die von all dem nichts mitbekommt. Gewollt oder ungewollt. Übersättigt oder unterfordert. Die, die in diesem Internationalen Tag der Arbeit genau das Gegenteil sieht: einen Tag des Freihabens. Des Grillens, des In-den-Mai-Tanzens, des Anbadens, des Ausschlafens.
Die hat kein Interesse daran, das rote Tuch anzuheben, das Inhalte dieses Datums verdeckt. Vollgeschmiert mit Parolen und Phrasen hängt es da und gehört endlich ausgetauscht gegen ein Banner, das drüber, nicht davor flattern und (in zwei Varianten) fordern müsste: »Morgens/abends Demo, nachmittags Bratwurst!«
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