Wenn Kinderbetten Türen haben

In Neuwied wird die Kita der Zukunft getestet

  • Christian Schultz, Neuwied
  • Lesedauer: 3 Min.

Es wird kräftig gehämmert und gebohrt in Neuwied in Rheinland-Pfalz. Die Kita »Kinderplanet« wandelt sich zu einer bundesweit einzigartigen Muster-Kindertagesstätte. Mit neuer Technik und praktischerem Mobiliar sollen das Arbeiten für Erzieher angenehmer und die Betreuung der Kinder optimiert werden. Ab September wird dort getestet, was künftig in Kitas deutschlandweit Einzug halten könnte. Das Ziel: Weniger Unfälle, bessere Gesundheitsvorsorge.

Umgesetzt werden in der Muster-Kita, die künftig aus einem sanierten älteren Bau und einem Neubau bestehen wird, unter anderem Forschungsergebnisse der sogenannten Studie »Ergo-Kita«. Die haben die Unfallkassen Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen sowie die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege initiiert, umgesetzt hat sie das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung.

Über zweieinhalb Jahre wurden Kita-Erzieherinnen befragt und diverse Faktoren gemessen. Teil war etwa eine computergestützte Langzeit-Analyse von Belastungen der Muskeln und des Skeletts - etwa wenn Erzieherinnen Kinder tragen oder Möbel rücken. Herausgekommen ist ein Katalog an Verbesserungen, die in Neuwied erstmals umgesetzt werden.

»Es fängt damit an, dass Mobiliar für Groß und Klein vorhanden ist«, sagt Bodo Köhmstedt, der das Projekt bei der Unfallkasse Rheinland-Pfalz betreut. Und es reicht bis zu Geräten, die den Kohlendioxid-Gehalt in der Luft messen. Bei Bedarf wird Außenluft beigemischt. Davon verspricht sich Kita-Leiterin Anja Schäfer eine Menge: »Oft merkt man nicht, dass der Stauerstoffgehalt geringer wird. Man wird müde.« In einigen Räumen werden auch Deckenelemente für eine bessere Akustik eingebaut.

Doch warum der Aufwand? »Der Gesundheitszustand wird problematischer, immer mehr haben Rückenbeschwerden«, sagt Köhm-stedt mit Blick auf Kita-Mitarbeiter. Der Leiter des Neuwieder Amtes für Jugend und Soziales, Wolfgang Hartmann, pflichtet bei. »Man hat gemerkt, dass die körperliche Belastung der Erzieherinnen immer mehr zunimmt.« Und Kita-Leiterin Schäfer weiß: Alle zurzeit 17 Erzieherinnen im Team klagten mal über Nacken-, Hüft-, Becken- oder Kniebeschwerden. Ausdruck dessen sei, dass das Berentungsalter bei Erzieherinnen bei durchschnittlich 59 Jahren liege, sagt Köhmstedt von der Unfallkasse.

Neu werden in Neuwied von Herbst an auch Tische mit Rollen sein. »Damit die Erzieherinnen nicht so schwer tragen müssen«, sagt Kita-Leiterin Anja Schäfer. Statt in Gruppenräumen werden die Kinder zudem in einer Kita-Mensa essen. Das macht ein tägliches Räumen von Tischen überflüssig. Neue Gitterbetten haben Türen, damit die Kleinen nicht mehr von den Erzieherinnen herausgehoben werden müssen. Auf kleinen Podesten können die Kolleginnen zudem bald die Schnürsenkel der Kinder binden, ohne sich bis zum Boden bücken zu müssen. Flankiert wird das Ganze mit Workshops für die Bediensteten. Auch Arbeitsabläufe sollen thematisiert werden. dpa/nd

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