Stueck in Straßburgs Ladenkassen

In Frankreich wird eine lokale Währung erprobt. Sie soll über Landesgrenzen hinweg bald auch in Deutschland gelten

  • Robert Schmidt
  • Lesedauer: 3 Min.
Regionalwährungen sollen in einzelnen europäischen Gegenden dafür sorgen, dass das Geld vor Ort bleibt. In der EU-Hauptstadt Straßburg will man gar eine grenzüberschreitende Währung einführen.

Neben dem Euro gibt es hierzulande ganz legal einige Dutzend lokale und regionale Währungen, mit denen nur bei teilnehmenden Unternehmen eingekauft werden kann. Einzelhändler binden so ihre Kunden an sich, diese wiederum erhalten dafür oft Rabatte. Es ist wohl kein Zufall, dass die Idee zu einer eigenen Lokalwährung für Straßburg ausgerechnet im Stadtteil Neudorf entstanden ist. Allerorts sausen Fahrräder vorüber, laufen Menschen mit Tüten voller frischem, leuchtendem Gemüse vorbei. Auch eine junge Familie kommt gerade vom Wochenmarkt, hat einen Zwischenstopp an einem Spielplatz gemacht. »Warum eigentlich nicht«, antwortet die junge Mutter auf die Frage, was sie von der Idee einer Lokalwährung halte. »Wir kaufen schon viel lokal«, sagte sie. Ihr Mann ergänzt: »Backwaren hole ich ausschließlich in der Boulangerie, Bücher kaufe ich nur im Buchladen.«

Auch die örtliche Floristin kann sich für die Idee erwärmen. Das sei eine gute Idee, sagt sie. Der benachbarte Optiker sieht das Konzept dagegen etwas skeptischer: »Das wäre nur sinnvoll, wenn die großen Einkaufszentren außen vor blieben«. Schwierigkeiten sieht er in der Umsetzung in seinem Geschäft, da bei ihm meist über Versicherungen abgerechnet würde. Michel Boitard sieht das naturgemäß anders. Der Straßburger Aktivist für soziales Wohnen ist einer der Initiatoren des Projekts »Le Stueck«, einer Lokalwährung für Straßburg. »Wir sind zuversichtlich, den ›Stueck‹ im kommenden Jahr einführen zu können«, sagt er am Telefon. Mittlerweile 40 Bürger würden derzeit für das Projekt arbeiten. Bis zum Sommer laufe eine Machbarkeitsstudie, bald werde man mit möglichen Partnern sprechen. Laut Boitard soll man für einen Euro ein Stueck bekommen, mit dem man dann bei den Partnern einkaufen kann. Ansprechen würde man jeden Händler, der die Charta der Initiative unterstütze. Seit vorigem Herbst hatten sich Straßburger einmal pro Woche getroffen, um die Idee gemeinsam zu entwickeln. »Die beiden Dinge, die uns bei der Auswahl wichtig sind, sind der Respekt gegenüber den Menschen und der Natur«, erklärt Boitard.

Boitard zufolge müsse sich das Modell auch nicht auf Straßburg beschränken. »Wir überlegen schon länger, es in einem zweiten Schritt auch im benachbarten Kehl in Deutschland anzuwenden«, erklärt der Aktivist. Man wolle »nicht nur einen wirtschaftlichen Austausch schaffen, sondern einen Dialog zwischen französischen und deutschen Bürgern«. Der »Stueck« ist derweil bei Weitem nicht die erste Lokal- oder Regionalwährung. Ein in Magdeburg beheimateter Verband mit dem Namen »Regiogeld« hat derzeit mehr als zwei Dutzend Mitglieder mit eigenen Währungen. Deren Zahl ist in den vergangen zehn Jahren in etwa gleich geblieben.

In Koblenz wurde Anfang des Jahres die RegioMark eingeführt, der Zschopautaler in Mittelsachsen musste dagegen eingestellt werden. Die deutsche Bundesbank kritisiert lokale Währungen als eine »bewusste Entscheidung gegen eine überregionale, effiziente Arbeitsteilung«. Aus ökonomischer Sicht mag das richtig sein. Aus ideeller Sicht ist das Konzept dagegen auf jeden Fall interessant. Wie wäre es beispielsweise mit einer gemeinsamen Währung für Tante Emmas und deren Kunden aus Brandenburg und dem benachbarten Polen?

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