Schwerer Diebstahl ganz leicht gemacht

Bewährungsstrafen für Antiquitätenräuber

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Schuldenfalle hat ein junges Paar zu Dieben gemacht. Alles war ganz leicht und ganz unprofessionell. Die Sache musste auffliegen.

Florian B. (27 Jahre) und Jessica W. (24) bedauern tief. Sie würden es gern ungeschehen machen, doch sie müssen nun dafür büßen. Eine Gefängnisstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängte das Schöffengericht gegen die reuigen Sünder, ausgesetzt für zwei Jahre auf Bewährung. Jedem halbwegs normal Denkenden hätte klar sein müssen: So etwas kann nicht gutgehen.

Es war Ende Januar 2013, als im Schloss Charlottenburg nicht ausgestellte Objekte der Königlichen Porzellanmanufaktur aus dem Lager verschwanden. Insgesamt 98 Stück - Teller, Tassen, Schüsseln, Figuren. Tage später tauchten sie bei verschiedenen Antiquitätenhändlern wieder auf und wurden via Internet zum Verkauf angeboten. Die ermittelnde Polizei hatte ein leichtes Spiel. Auf der Liste der Mitarbeiter mit Zugang zu den Kellerräumen des Schlosses war auch ein Wachdienstmann, der die gleiche Adresse angab, wie die Frau, die die Stücke den Händlern angeboten hatte.

Als die Polizei vor der Tür stand, wussten sie, der Spuk ist vorbei. Sie gestanden den Diebstahl und den Verkauf bei verschiedenen Händlern in Berlin und Potsdam ohne Umschweife. Auch in der gestrigen Gerichtsverhandlung zeigten sie sich erschüttert von dem, was sie angerichtet haben. Bis Ende 2012 verlief ihr Leben in geordneten Bahnen. Er war Wachmann, sie arbeitete als Angestellte beim Jobcenter Neukölln. Es war nicht viel, was beide verdienten, doch man kam gut über die Runden.

Das Paar unterschrieb fünf Mobiltelefonverträge, kaufte sich für fast 10 000 Euro einen gebrauchten Audi A4, schloss einen Vertrag für eine Urlaubsreise und kaufte auf Kredit bei IKEA. Doch dann lief der Arbeitsvertrag von Jessica beim Jobcenter aus und die Schulden begannen, sich zu häufen.

Da entdeckte Florian die Porzellanteile im Keller. Zwar registriert, aber gestapelt wie in einer Küche. Keine Sicherung, keine Videoüberwachung. Aus der anfänglichen Spaßidee wurde die Tat. Es ging einmal gut und auch das nächste Mal. Wenn er nachts auf Streife ging, packte er wahllos die Stücke in den Rucksack. Tage darauf standen beide bei den Händlern auf der Matte und zeigten ihre »Erbstücke«. Vom Wert des Porzellans hatten sie keine Ahnung. Um die 12 000 Euro erhielten sie für die geklauten Exponate mit einem geschätzten Wert von 260 000 Euro. Da Jessica ihren Personalausweis vorzeigen musste, konnten - bis auf sieben - alle Stücke zurückverfolgt werden. Die eigentlich geprellten sind die Händler, denn Diebesgut darf nun einmal nicht aufgekauft und weiterverhökert werden. Der große Traum vom schuldenfreien Leben währte nur vier Wochen, dann war alles viel schlimmer als zuvor. Nun werden sie viele Jahre brauchen, um wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen.

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