Politik bei Strandgesprächen

Austausch über Ukraine-Krise bei Feiern zum 70. Jahrestag der Landung in der Normandie

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
70 Jahre nach Landung der Alliierten in der Normandie, mit der die letzten Monate im Kampf gegen Hitlerdeutschland begannen, fanden am Freitag bei Caen bewegende Gedenkzeremonien statt.

An den Gedenktreffen in der Normandie nahmen Staats- und Regierungschefs von 19 Ländern - 18 Mitglieder der Antihitlerkoalition sowie Deutschland - teil. Anwesend waren auch rund 1000 Veteranen, die seinerzeit an der Landung teilgenommen hatten und deren Erinnerungen umso wertvoller sind, als es für die meisten von ihnen aufgrund ihres Alters das letzte Mal sein dürfte, dass sie an einer solchen Gedenkfeier teilnehmen. Den Höhepunkt bildete nach einem gemeinsamen Mittagessen der Staats- und Regierungschefs zusammen mit Veteranen im Schloss Bénouville am Nachmittag eine Gedenkfeier am Strand von Ouistreham, bei der Präsident François Hollande das Wort ergriff.

Beim Essen waren rechts und links vom Präsidenten die britische und die dänische Königin platziert und dann auf der einen Seite US-Präsident Obama und auf der anderen der russische Präsident Wladimir Putin, die wegen ihrer gegenwärtigen Differenzen um die Ukraine nicht zusammentreffen wollten. Die französischen Gastgeber hatten aber Salons im Schloss vorbereitet, falls es den Wunsch nach informellen Gesprächen gibt. Tatsächlich kam es vor dem Essen auf Initiative von Hollande zu einem viertelstündigen Gespräch zwischen Putin und dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, an dem auch Kanzlerin Angela Merkel teilnahm. Putin und Poroschenko sollen sich für ein Ende der Kämpfe in der Ostukraine ausgesprochen haben. Es gab auch ein kurzes Gespräch Obamas mit Putin.

Merkel und Putin waren am Vormittag in Deauville zu einem bilateralen Austausch zusammengetroffen, das nach Angaben aus deutschen Delegationskreisen rund eine Stunde dauerte. Merkel, so hieß es, habe den russischen Präsidenten aufgefordert, alles in seiner Macht Stehende für eine Stabilisierung der Lage in der Ukraine zu tun. Nach der international anerkannten Präsidentenwahl in der Ukraine müsse Russland seiner großen Verantwortung gerecht werden.

Auf den Tribünen am Strand von Ouistreham hatten 7000 offizielle Gäste, darunter die ehemaligen französischen Präsidenten Valérie Giscard d'Estaing und Nicolas Sarkozy, sowie 2000 französische und ausländische Kriegsveteranen oder Teilnehmer am antifaschistischen Widerstandskampf Platz genommen. Auf dem zu einer Riesenbühne umgestalteten Strand wurde von 2000 Darstellern die Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 nacherlebbar gemacht und in ihren historischen Zusammenhang gestellt. Die Bilder der Schau hatten »Das besetzte Europa«, den »Längsten Tag«, den »Langen Marsch bis zur Befreiung« und die »Wege zu Frieden und geeintem Europa« zum Inhalt. Dabei wurde daran erinnert, wie in der Nacht vom 5. zum 6. Juni 1944 in dieser bedeutenden Militäroperation des zweiten Weltkriegs zunächst 800 Flugzeuge 13 000 Fallschirmjäger hinter den deutschen Linien absetzten und dann mit 1200 Kriegsschiffen und 5700 Landungsbooten mehr als 130 000 Soldaten an fünf Stränden abgesetzt wurden. Beteiligt waren US-Amerikaner, Briten, Kanadier und andere Angehörige des Commonwealth, auch eine französische Marineinfanterie-Einheit. Insgesamt hatten die Alliierten am 6. Juni rund 10 000 Tote, Vermisste und Verletzte. Bei der Landung fanden zudem etwa 20 000 Zivilisten an der normannischen Küste den Tod durch Bomben alliierter Flugzeuge, die deutsche Militäranlagen und Verkehrsinfrastrukturen zerstören sollten, die aber nur zu oft auch Häuser von Anwohnern trafen. An sie erinnerte am Freitag in der ersten Zeremonie Präsident Hollande vor dem Memorial von Caen.

Hollande würdigte unter dem Beifall der Staats- und Regierungschefs die großen Opfer und den gewaltigen Anteil der Sowjetunion am Sieg über den Faschismus.

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