Härtere Sanktionen bei Hartz IV im Gespräch

Bund bestreitet Pläne / Kommunen, Richter und Bundespolitiker kritisieren komplizierte Regelungen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Bundesregierung will in diesem Jahr über mögliche Hartz-IV-Reformen entscheiden. Kommunen und die Bundesagentur für Arbeit fordern durchschaubarere Gesetze.

Angesichts zahlreicher Klagen vor den Sozialgerichten werden Stimmen lauter, die eine Vereinfachung der Hartz-IV-Bestimmungen verlangen. Die Regelungen seien sowohl für die Betroffenen als auch für Mitarbeiter in den Jobcentern zu kompliziert und bürokratisch, sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, der »Passauer Neuen Presse«. Das System müsse transparenter und einfacher werden. »Viele komplizierte Berechnungen der Einzelansprüche sollten durch die Möglichkeit der Pauschalierung vereinfacht werden.«

Auch der Deutsche Richterbund forderte eine Reform der »zum Teil sehr komplizierten Regelungen«. Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, sagte: »Hartz IV ist kaum noch zu durchschauen.«

Derzeit beschäftigt sich eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Bundesagentur für Arbeit und Kommunen mit Vorschlägen zur »Rechtsvereinfachung im SGB II«. Die Gruppe steht unter anderem wegen ihrer intransparenten Arbeitsweise in der Kritik. Nun berichtete die »Bild«-Zeitung, die Arbeitsgruppe habe sich darauf geeinigt, dass Hartz-IV-Empfängern gleich beim ersten Verstoß gegen Pflichten vom Jobcenter das Geld gekürzt werde. So solle etwa das Versäumen von Terminen härter bestraft werden.

Das Bundesarbeitsministerium wies den Bericht der Zeitung zurück. Festlegungen oder Beschlüsse lägen noch nicht vor. »Die Ergebnisse werden im Herbst erwartet«, teilte das Ministerium mit. Dann sei zu entscheiden, welche Vorschläge in einem Gesetzgebungsverfahren umgesetzt werden. Zudem seien Leistungskürzungen nach dem ersten Pflichtverstoß bereits geltendes Recht.

Die Bundestagsopposition sieht die Sanktionen grundsätzlich kritisch. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Grüne) sprach sich gegenüber »nd« für eine Vereinfachung der Regelungen und gegen eine Verschärfung der Sanktionen aus. »Diese müssten so gestaltet werden, dass ein Existenzminimum abgedeckt wird und soziale Teilhabe möglich ist«, sagte Strengmann-Kuhn. Es dürften höchstens zehn Prozent des Regelsatzes gekürzt werden. Die Grünen setzen sich langfristig für ein Sanktionsmoratorium ein. Sie sind aber skeptisch, was eine komplette Abschaffung der Sanktionen betrifft.

Diese stehen laut Linkspartei im Widerspruch zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nach dem es ein Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gibt. »Ein Grundrecht kann man nicht kürzen«, erklärte Parteichefin Katja Kipping.

Am Montag war bekannt geworden, dass 2013 mehr als ein Drittel aller Klagen und Widersprüche von Erwerbslosen gegen Sanktionen bei Hartz IV erfolgreich gewesen ist. Ende des vergangenen Jahres waren an Deutschlands Sozialgerichten rund 200 000 Klagen von Hilfsempfängern anhängig.

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