Zehn Opfer pro Tag

Minen verletzen trotz der Ottawa-Konvention täglich Menschen. Ein neuer Aktionsplan soll Abhilfe schaffen

  • Wolfgang Kötter
  • Lesedauer: 4 Min.
In Mosambiks Hauptstadt beginnt am Montag die 3. Konferenz zur Überprüfung der Konvention über das Verbot von Personenminen. 15 Jahre nach deren Inkrafttreten ist eine kritische Bilanz zu ziehen.

161 Vertragsstaaten werden in Maputo eine Woche lang den Erfüllungsstand des Vertrags einschätzen, der sechs Monate nach Hinterlegung der 40. Ratifizierungsurkunde am 1. März 1999 gültig wurde. Darüber hinaus soll ein auf fünf Jahre berechneter Aktionsplan zur vollständigen Befreiung der Welt von Antipersonenminen verabschiedet werden.

Die Konvention verbietet Einsatz, Produktion und Handel mit Antipersonenminen und fordert die Zerstörung der Lagerbestände, die Räumung verminter Gebiete und die Unterstützung von Minenopfern. Sie verlangt zudem die Kontrolle über die Einhaltung der Verpflichtungen. Dem dienen regelmäßige Treffen der Vertragsstaaten, Statusberichte und der Informationsaustausch. Darüber hinaus kann der UNO-Generalsekretär in Verdachtsfällen Inspektorenteams zur Tatsachenermittlung entsenden.

36 Verweigerer

36 Staaten gehören der Ottawa-Konvention bisher nicht an:

Ägypten, Armenien, Aserbaidshan, Bahrain, China, Georgien, Indien, Iran, Israel, Kasachstan, DVR Korea, Republik Korea, Kirgistan, Kuba, Laos, Libanon, Libyen, Marokko, Marshallinseln, Mikronesien, 
Mongolei, Myanmar, Nepal, Oman, Pakistan, Palästina, Russland, 
Saudi Arabien, Singapur, Sri Lanka, Syrien, Tonga, USA, Usbekistan, Vereinigte Arabische Emirate,
Vietnam. Quelle: ICBL

Das Verbot erfasst allerdings nur Minen, die ausdrücklich gegen Personen gerichtet sind, nicht aber Panzer- und Fahrzeugminen. Außerdem lassen die Bestimmungen sowohl der Rüstungsindustrie als auch der Politik viel Raum zur Interpretation.

Bis heute haben 80 Prozent aller Staaten das Verbotsabkommen unterzeichnet. Aber auch viele Regierungen, die sich der Konvention nicht angeschlossen haben, halten sich an die Normen und verzichten auf Einsatz und Produktion von Personenminen. Der Einsatz dieser Waffen wird zunehmend geächtet. Dennoch lebt rund eine halbe Million Menschen auf der Welt mit einer durch Minen verursachten schweren Behinderung.

An Zustandekommen und Umsetzung des Verbots hat die Zivilgesellschaft großen Anteil. 1992 hatten sechs Organisationen die Internationale Kampagne zum Verbot von Antipersonenminen (International Campaign to Ban Landmines - ICBL) gegründet. Bei ihren Einsätzen in Afrika, Asien, dem Nahen Osten und Lateinamerika erkannten die Hilfsorganisationen, dass eine umfassende Lösung des Problems nur durch ein Verbot dieser Waffenkategorie erreicht werden kann.

Nach einer fünfjährigen Kampagne und durch konstruktive Zusammenarbeit von Regierungen, internationalen Organisationen und Zivilgesellschaft wurde die Konvention zum Verbot von Antipersonenminen im Dezember 1997 in Ottawa (Kanada) unterzeichnet. Deshalb hat sich der Begriff Ottawa-Konvention verbreitet. Noch im selben Jahr wurden die ICBL und ihre Koordinatorin Jody Williams mit dem Friedensnobelpreis geehrt.

Die Organisation Handicap International zieht alljährlich in ihrem Landminenbericht eine Bilanz. Der »Landmine Monitor Report 2013« stellte für das vorangegangene Jahr einerseits die bisher geringste Zahl an neuen Opfern, die größte entminte Fläche und die höchsten Ausgaben für den Kampf gegen Landminen seit 1999 fest. Andererseits wurden darin auch neue Fälle der Anwendung von Landminen registriert. Vorwürfe der verbotenen Minenverlegung gab es in jüngster Zeit gegen die Mitgliedstaaten Afghanistan, Jemen, Kolumbien, Sudan, Südsudan, Thailand und Tunesien.

In Syrien, das nicht Mitglied der Ottawa-Konvention ist, haben verschiedene Parteien Landminen eingesetzt. Deshalb betreibt Handicap International dort Aufklärung über die Gefahren explosiver Kriegsreste. Die Organisation unterstützt syrische Flüchtlinge in Jordanien, Libanon und Syrien durch Ausstattung mit Prothesen und Rehabilitation für Verletzte, deren Traumata zu bleibenden Behinderungen führen könnten. Darüber hinaus werden Untersuchungen wegen mutmaßlicher Minenverlegungen in der Türkei fortgesetzt.

Zu den neuen Gefahrenherden gehören Kampfschauplätze in Myanmar und Mali, auch aus Pakistan und Berg-Karabach werden Mineneinsätze gemeldet. Gegenseitige Vorwürfe des Mineneinsatzes gibt es ebenso im Ukraine-Konflikt. Eine weitere Gefahr hat die jüngste Flutkatastrophe auf dem Balkan ausgelöst: Minen und nicht explodierte Munition aus den Bürgerkriegen der 90er Jahre wurden freigespült und haben bereits Menschenleben gefordert.

Andererseits sind die Erfolge im Kampf gegen die Minenplage durchaus beeindruckend. Die Zahl der registrierten Opfer von Landminen und Blindgängern - in den 90er Jahren bis zu 20 000 jährlich - sank 2012 auf 3628, ein Fünftel weniger als noch im Jahr zuvor. Im Vergleich zu 1999, als die Konvention in Kraft trat, sind die täglichen Opferzahlen um 60 Prozent auf zehn pro Tag zurückgegangen. Zivilisten machen aber noch immer über drei Viertel der Opfer aus, fast die Hälfte davon sind Kinder.

Ermutigend ist, dass 2012 eine Rekordfläche von 526 Quadratkilometern entmint wurde - im Vergleich zu 423 Quadratkilometern im Jahr 2011. Dabei wurden 540 000 Minen und Blindgänger unschädlich gemacht. Allerdings sind vermutlich noch in 71 Ländern und Gebieten Minen verlegt.

Nachdem bisher 87 Vertragsstaaten mehr als 47 Millionen Antipersonenminen zerstört haben, wird nach dem Willen der Teilnehmer mit der Konferenz in Maputo der Countdown zur vollständigen Umsetzung der Minenverbotskonvention eingeläutet.

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