Polens Abhöraffäre zieht immer größere Kreise
Regierungsumbildung scheint unumgänglich, vorfristige Wahlen sind nicht mehr auszuschließen
Wroclaw. Noch nie in seinen bisher sieben Amtsjahren hatte es Polens Regierungschef Donald Tusk so schwer wie jetzt. Schon die vor einer Woche im Magazin »Wprost« veröffentlichten Mitschnitte eines Gesprächs zwischen dem Nationalbankpräsidenten Marek Belka und Innenminister Bartlomiej Sienkiewicz mussten ihm innenpolitisch höchst peinlich sein. Die Veröffentlichung von Abhörniederschriften einer ziemlich unterhaltsamen Plauderei zwischen Außenminister Radosław Sikorski und dem ehemaligen Finanzminister Jacek Rostowski am Montag ist auch außenpolitisch äußerst brisant. Sikorski unterzog nämlich die Politik gegenüber den USA, die offiziell als bester Freund und treuester Verbündeter gelten, einer scharfen Kritik. Sie sei »wertlos« und sogar »schädlich«. Das aus Übersee zu erwartende Echo bereitet Warschau größte Sorgen.
Der Abhöraffäre folgte vorige Woche ein anderer Skandal. Um »den Gegenstand eines Rechtsbruchs« sicherzustellen, drangen Vertreter der Staatsanwaltschaft und Beamte der Agentur für Innere Sicherheit (ABW) in die »Wprost«-Redaktion ein. Sie wollten »sämtliches Material« über die Gesprächsmitschnitte im Nobellokal »Sowa & Przyjaciele« beschlagnahmen. Da der Chefredakteur die Herausgabe verweigerte, kam es zu stundenlangem Gerangel. Auf etlichen Fernsehkanälen beobachtete ganz Polen das vor zig Kameras laufende Ereignis und sah am späten Abend, wie die staatlichen »Einbrecher« erfolglos abziehen mussten.
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