Syrer nach Polen abgeschoben

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.
Antirassistische Initiative verlangt, dass ein traumatisierter syrischer Flüchtling aus Warschau zurück nach Deutschland geholt wird.

Die Flüchtlingsorganisation Refugees Emancipation hatte zu einem Aktionstag vor dem Erstaufnahmelager Eisenhüttenstadt eingeladen. Zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni sollte über die Situation der Asylsuchenden in dieser Einrichtung informiert werden. An diesem Tag war ein syrischer Student, der sich seit 35 Tagen in Eisenhüttenstadt in Abschiebehaft befand, bereits nach Polen abgeschoben worden.

Diese Information kam vom »Netzwerk gegen Lager und Abschiebehaft in Eisenhüttenstadt«, in dem sich Menschen zusammengeschlossen haben, die Flüchtlinge beraten. »Auch der syrische Student, dessen Namen wir auf Wunsch des Betroffenen nicht bekannt geben, gehörte zu den Personen, die regelmäßig von uns besucht worden waren«, erklärt Torben Schneider von der antirassistischen Initiative.

Der Student habe mehr als einen Monat in einem syrischen Gefängnis gesessen, wo er Schlägen und einer Woche Isolationshaft in völliger Dunkelheit ausgesetzt gewesen sei, berichtet Schneider. »Nach diesen traumatisierenden Ereignissen versuchte er, sich nach seiner Entlassung das Leben zu nehmen, floh später über Jordanien und Polen nach Frankfurt am Main und wollte zu seinem Bruder, der in Köln lebt.« Nach einer Kontrolle durch die Bundespolizei wurde er in Eisenhüttenstadt inhaftiert. Rechtsgrundlage ist das Dublin-System, nach dem Asylsuche in dem EU-Land bleiben müssen, dass sie bei ihrer Flucht zuerst betreten, Die gesundheitliche Situation spielt dabei oft keine Rolle. Dabei sah die Ausländerbehörde eine besondere Schutzbedürftigkeit des Syrers wegen Traumatisierung, was ihn aber weder vor der Haft noch vor der Abschiebung bewahrte.

Den Besuchern von der antirassistischen Initiative fiel der besorgniserregende Zustand des jungen Mannes sofort auf. In der Abschiebehaft sei er zuletzt total abgemagert gewesen, heißt es. Er habe jeden Appetit verloren und panische Angst vor dem Einschlafen gehabt. »Er litt unter den immer wiederkehrenden Bildern von der Folter in Syrien und hatte Suizidideen«, erzählt Schneider.

Man kontaktierte den Verein »KommMit für Migranten und Flüchtlinge«. Die dort tätige Psychologin Hanna Grewe untersuchte den Syrer. »Er war dringend behandlungsbedürftig, hätte niemals als ein Opfer von Folter und Menschenrechtsverletzungen in Abschiebehaft genommen werden dürfen, da dies zu einer Retraumatisierung führt«, schrieb sie in einer Stellungnahme.

Doch mit dieser Stellungsname konnte sich das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) nicht mehr befassen, weil der Flüchtling einige Tage früher als angekündigt abgeschoben wurde, wie Ivana Domazet vom Flüchtlingsrat Brandenburg kritisierte. Torben Schneider fordert nun, dass die Wiedereinreise des Syrers sofort veranlasst wird. Zurzeit lebt der Mann in Warschau.

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