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Kaum Euphorie unter Arbeitern

Annotiert

  • Lesedauer: 2 Min.

In der derzeit erneut heftigen Debatte um die Bewertung des Ersten Weltkrieges und die Schuld an dessen Ausbruch wird der Widerstand gegen jenen weitestgehend ausgeblendet. Umso verdienstvoller, dass in der neuen Ausgabe des »JahrBuches für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung« die vielfältigen Aktivitäten gegen Militarismus, Kriegsgefahr und Krieg im Mittelpunkt stehen.

Den Aufsatzreigen eröffnet Annelies Laschitza. Auf neue Quellen gestützt, berichtet sie über den Kampf von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in den Jahren 1911 bis 1913 gegen den drohenden imperialistischen Krieg. Beide hätten eingehender als ihre Zeitgenossen die Ursachen der verstärkten Militarisierung und des zunehmenden Wettrüstens der Großmächte erkannt und entlarvt. Sie beschworen die Sozialisten europäischer Staaten, den Friedenskampf international zu führen und die Völker gegen nationalistische Verdummung zu immunisieren.

Lucas Poy von der Universität Buenos Aires bietet Einblick in die hierzulande wenig bekannten Aktivitäten der Sozialistischen Partei Argentiniens, eine der wichtigsten nichteuropäischen Parteien der Zweiten Internationale, vor und während des Weltkrieges. Jörn Wegner befasst sich mit Massendemonstrationen deutschen Arbeiter am Vorabend des Krieges und deren Entwaffnung durch die damalige SPD-Führung. Den Kampf der Berliner SPD-Basis im ersten Kriegsjahr gegen die Bewilligung der Kriegskredite zeichnet Ottokar Luban nach, während sich Helge Döhring den Streiks der Berliner Syndikalisten 1914 bis 1916 widmet. Dass Arbeiter keineswegs vom »patriotischen Virus« unisono infiziert waren, verdeutlicht die Entfremdung zwischen den Beschäftigten im Chemnitzer Maschinenbau und dem Deutschen Metallarbeiterverband (Marco Swiniartzki).

Die ebenfalls in der Literatur oft »vergessenen«, gegen den Krieg revoltierenden Frauen ehrt am Beispiel von spontanen Protestaktionen in Wien 1916/1917 Veronika Helfert. Antje Strahl wiederum informiert über die Arbeitsbedingungen von Frauen in mecklenburgischen Rüstungsbetrieben. Christian Stappenbeck stellt ein unikates Dokument vor: Tagebucheintragungen eines 15-jährigen Mädchens aus der Mark Brandenburg über ihre Erlebnisse in der bereits von nationalistischem Taumel erfassten Reichshauptstadt Berlin.

Dieses JahrBuch sei als eine reiche und wissenschaftlich solide Fundgrube allen empfohlen, die in den nächsten Wochen publizistisch oder per Reden an den 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges erinnern wollen oder gar müssen. Rainer Holze

JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, 2014/II. 289 S., br., 11 €; zu beziehen über NDZ GmbH, Weydinger Str.14-16, 10178 Berlin.

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