Rieselfelder, Feldlerche, Windkraft

Die Berliner Stadtgüter GmbH präsentiert ihre Arbeit von gestern und heute

  • Kerstin Ewald
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie wurde Berlin an die Kanalisation angeschlossen? Und wie organisiert Berlin die Kompensation für Flächenversiegelung? Die Ausstellung der Berliner Stadtgüter GmbH vermittelt einige Einblicke.

1850 liefen die Abwässer der Stadt Berlin noch im Rinnsal neben den Straßen her. Die Berliner Fäkalienkutscher leisteten eine wichtige Arbeit, indem sie täglich Dickflüssiges aus dem Rinnstein fischten. Mit den Kanalisationsplänen von James Hobrecht befürchtete die Zunft jedoch, arbeitslos zu werden. Nach seinen Reisen in andere europäische Großstädte präsentierte er ein bahnbrechendes Kanalisationssystem. Pro 250 Einwohner sollte ein Hektar Boden im Berliner Umland gekauft werden. Dieser sollte mit den Abwässern berieselt werden, die vorher durch unterirdische Druckleitungen aus der Stadt herausbefördert wurden.

Das geniale an den Rieselfeldern war: Zum einen wurde das dreckige Wasser geklärt. Gleichzeitig konnten die berieselten Flächen landwirtschaftlich genutzt werden. Die Funktionsweise dieses alten Klärwesens können sich interessierte Besucher auf dem Denkmalpfad bei Großbeeren erklären lassen. Am Schönefelder Autobahnkreuz sind heute noch die umfriedeten Terrassen, sogenannte Tafeln, eines Rieselfeldes zu erkennen.

Die damals neugewonnen Flächen für die Kläranlagen mussten verwaltet und bewirtschaftet werden, zu diesem Zwecke wurden vor 140 Jahren die Berliner Stadtgüter gegründet. Die Technik der Berieselung wurde mit der Industrialisierung allerdings fragwürdig, denn je mehr Chemie in das Abwasser-System gelangte, desto mehr wurden die berieselten Flächen verseucht. 1991 wurde die Berieselung endgültig eingestellt. Ein schweres Erbe von rund 2000 Hektar stark belastetem Boden blieb übrig, für den die Berliner Stadtgüter heute Nachsorge betreiben müssen. Sie tun das zum Beispiel durch Anbau von Energieholz. In Wansdorf bei Berlin wird in Kooperation mit der Humboldt-Universität und der FH Eberswalde probehalber eine kleine verseuchte Fläche mit Pappeln und Robinien bebaut. Das produzierte Holz soll später als Hackschnitzel in Heizkraftwerken verbrannt werden. Einige Baumsorten tolerieren die Zinkbelastung des Bodens, andere, so Mario Woltmann von den Stadtgütern, lassen die Ästchen hängen.

Einige der belasteten Flächen werden auch zur Energiegewinnung genutzt. Durch 24 Windenergieanlagen auf dem Gebiet der Stadtgüter werden bereits 94 000 MWh pro Jahr ins Netz eingespeist.

Trotz allen Bemühungen um den Naturschutz ist das größte Tätigkeitsfeld der Stadtgüter GmbH der Bereich »Vermietung und Verpachtung«. Gebäude und Flächen werden vor allem an Landwirte und Gewerbetreibende vergeben.

Die 17 000 Hektar Fläche vor den Toren Berlins, die die Stadtgüter verwalten, dienen Berlin auch als Reserve für den Wohnungsbau. Auch Marzahn und Hellersdorf wurden schließlich auf Rieselfeldern errichtet. Auf den Flächen werden außerdem Ersatzmaßnahmen für versiegelte Flächen durchgeführt. Für jede Flächenversiegelung in der Stadt müssen an anderer Stelle Flächen renaturiert werden. Geraten zum Beispiel Bestände von Feldlerchen in Gefahr wie bei der Tempelhofer Feld, muss der Eigentümer dafür zahlen, dass woanders wieder Feldlerchen angesiedelt werden. Für den neuen Berliner Flughafen BER in Schönefeld wurden von den Stadtgütern 450 Hektar für Ausgleichs-und Ersatzmaßnahmen zur Verfügung gestellt.

Peter Hecktor, Geschäftsführer der Stadtwerke GmbH, sieht sein Unternehmen bei der Bewirtschaftung der Flächen im Berliner Umland in einer Brückenfunktion zwischen den Gemeinden und der Berliner Landesregierung: »Die Gemeinden sind immer der Meinung, wir engagieren uns zu wenig für sie, die Berliner Landesregierung ist der Ansicht, wir geben dafür zu viel aus. «

Ausstellung »140 Jahre Stadtgüter«, Senatsumweltverwaltung, Köllnischer Park 3, werktags 10 bis 18 Uhr, bis 30. Juli

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