7500 Euro Entschädigung für Langzeit-Prozess

Neubrandenburger Rentner musste neun Jahre auf eine Entscheidung warten - Landessozialgericht kritisiert auch Regierung in Schwerin

  • Lesedauer: 2 Min.
Gerichtsverfahren dürfen nicht zu lange dauern - und wenn doch, dann kann ein Kläger eine Entschädigung verlangen. Das hat das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern klargestellt.

Neubrandenburg. Wer in Mecklenburg-Vorpommern zu lange auf sein Gerichtsverfahren warten muss, kann auf Entschädigung hoffen - wenn die Verzögerung rechtzeitig gerügt wird. Das geht aus zwei Urteilen hervor, die das Landessozialgericht am Dienstag in Neubrandenburg verkündete. Es sprach dem Rentner Hasso Schmidt (65) aus Neubrandenburg 7500 Euro Entschädigung vom Land zu, weil seine Verfahren durch zwei Instanzen neun Jahre dauerten.

»Ich wollte meine Schwerhörigkeit von der Arbeit in einem Betonwerk von der Berufsgenossenschaft als Berufskrankheit anerkannt bekommen«, sagte Schmidt. Das scheiterte aber in beiden Instanzen, obwohl Schmidt 2002 bei 80 bis 100 Dezibel Lautstärke im Werk einen Hörsturz erlitt.

Die 7500 Euro sind die höchste Entschädigung, die das Landessozialgericht wegen sogenannter überlanger Prozesse bisher verhängt hat, wie Gerichtssprecher Jan Giesbert erklärte. Schmidts Gerichtsverfahren hatten - trotz mehrfacher Nachfragen - von September 2004 bis August 2013 gedauert. »Das waren am Sozialgericht 41 Monate, am Landessozialgericht 34 Monate zu lange«, erklärte der Vorsitzende Richter Axel Wagner. Dieser Fall sei ein »typischer sozialrechtlicher Durchschnittsfall«.

Der zweite Fall sei bei fünf Jahren Dauer 21 Monate zu lang gewesen, erklärte Wagner. Die Klägerin - in diesem Fall ging es um einen Streit über Höhe und Dauer des Erziehungsgelds für ein Adoptivkind - hatte 2100 Euro Entschädigung verlangt. Es werde aber nichts gezahlt, weil der Anwalt der Frau aus der Nähe von Schwerin dies erst zu spät beim Landessozialgericht gerügt habe, betonte Wagner. In beiden Fällen sei aber noch Revision möglich.

Der Vorsitzende Richter kritisierte zudem die Haltung der SPD/CDU-Landesregierung, die per Erlass geregelt habe, dass ihre Vertreter grundsätzlich solche Entschädigungsforderungen nicht anerkennen dürften. Damit seien unbürokratische, weniger aufwendige außergerichtliche Vergleiche - wie in anderen Bundesländern - nicht möglich. dpa/nd

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