Die Duisburg-Methode

Das Geschäft mit den Roma wird unterbunden, das Elend bleibt

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 4 Min.
Der nordrhein-westfälische Landtag hat eigens ein neues Wohnungsaufsichtsgesetz verabschiedet, um skrupellosen Vermietern das Geschäft mit dem Elend osteuropäischer Roma zu verhageln.

Die Unterbringung von Flüchtlingen bringt die Kommunen vielerorts an den Rand ihrer Aufnahmefähigkeit. In nordrhein-westfälischen Städten hat der Zulauf von Roma aus Balkanstaaten zu einer Art Wucher mit Elendsquartieren geführt. Die Antwort der Politik lautet: Solchen Quartieren wird gesetzlich der Boden entzogen. Eine Lösung für die Roma ist dies allerdings nicht. Wo sollen sie hin?

Auch wenn Düsseldorf oder Dortmund mit seinem »Roma-Slum« mit ähnlichen Problemen kämpften und kämpfen: Nur der Konflikt um die »Problemhäuser« im Duisburger Stadtteil Rheinhausen schaffte es, tagelang und republikweit Schlagzeilen zu erzeugen. Bis zu 1400 Menschen in 50 Wohneinheiten, erzürnte Nachbarn, Rechtsextremisten, die Öl ins Feuer gießen, Ängste vor einem drohenden Pogrom gegen die Roma - und ein Vermieter aus dem Rocker- und Rotlicht-Milieu, der sich im Geschäft mit dem Elend eine goldene Nase mit Brillanten daran verdiente.

300 Euro pro Schmuddelmatratze und Monat bezahlen die Mieter angeblich, Roma, die vor Rassismus und Not aus Bulgarien und Rumänien geflohen waren oder bisher in England und Spanien in der Touristikbranche gearbeitet hatten, bis die Krise kam. Als EU-Bürger besitzen sie das Recht, sich in Deutschland aufzuhalten.

Nun müssen die heruntergekommenen Häuser bis Ende des Monats geräumt sein. Grund ist das Ende April in Kraft getretene Wohnungsaufsichtsgesetz. In knapp einer Woche sollen die völlig heruntergekommenen Gebäude leer stehen. Längst ist der Strom abgestellt. »Ich denke, die Häuser werden am 1. August leer sein«, sagt Deniz Aksen, Vorstandschef des Vereins ZukunftsOrientierte Förderung (ZOF), der auch Bewohner der Häuser In den Peschen als Sozialarbeiter betreut. Statt 1400 Roma leben nur noch 20 In den Peschen.

Generell bleibe die Situation in Duisburg aber schwierig, betont der 33-Jährige. Es kämen einfach viel zu viele Menschen nach Duisburg, weil sie in Bulgarien und Rumänien keine Chance, kein Einkommen, keine Krankenversicherung hätten. »Es müssen die Migrationsursachen beseitigt werden in den Herkunftsländern«, glaubt er.

Im April verabschiedete der nordrhein-westfälische Landtag das neue Gesetz, das nicht nur »neuen Finanzinvestoren« (vulgo: »Heuschrecken«) den Wohnungsmarkt vermiesen will, sondern auch eine gewisse Handhabe liefert gegen Vermieter wie den Vermieter aus dem Rockermilieu: Kommunale Ämter können und müssen nun bei krassen Missständen eingreifen - schneller, öfter und tiefer als bisher.

Gewisse Mindeststandards müssen Vermieter nun auch dann erfüllen, wenn ihre Kunden Armutsmigranten oder Sozialrentner sind, sonst drohen Bußgelder von bis zu 50 000 Euro. Krasse Überbelegung soll ebenso verhindert werden wie das große Geschäft mit vernachlässigten und daher allmählich verrottenden Immobilien.

»Unsere Handlungsmöglichkeiten haben sich durch das Wohnungsaufsichtsgesetz deutlich verbessert«, sagt Anja Kopka, Leiterin des Referats Kommunikation der Stadt Duisburg. »Wir können nun pro-aktiv vorgehen gegen Vermieter, früher mussten wir beispielsweise auf Beschwerden von Mietern warten oder konnten im Ausnahmefall nach dem Baurecht aktiv werden.« Kopka lobt insbesondere den sogenannten Überbelegungsparagrafen: »Früher war zwar eine Mindest-Quadratmeterzahl für Hühner vorgeschrieben, aber nicht für Menschen. Das ist nun anders.« Bei einer Überbelegung kann die Vermietung nun unterbunden werden.

Doch wohin gehen die bisherigen Mieter aus den Peschen-Häusern? »Sie ziehen zu Freunden und Nachbarn, eine Familie hat Duisburg komplett verlassen«, berichtet ZOF-Boss Aksen. Eine eigenen Wohnung zu finden sei schwierig, trotz des Leerstands in der Ruhrstadt., »Die meisten Vermieter vermieten nicht an Roma, städtische Wohnungsgesellschaften verlangen wie bei anderen Mietern auch einen Einkommensnachweis. Den haben viele Roma nicht«, sagt Aksen. »Dann gibt es noch Vermieter, die nicht nachfragen, wo das Geld herkommt, Hauptsache, es wird bezahlt.« So wie der Rocker-Boss ...

Die Stadt Duisburg habe noch keine belastbaren Informationen, wohin die ehemaligen Bewohner gingen, dafür sei der Zeitraum zu klein, betont Stadtsprecherin Anja Kopka. Es seien aber viele soziale Träger vor Ort, die sich um die Menschen kümmern, um Härtefälle zu vermeiden.

Kopka deutet noch eine andere, rigorose Möglichkeit für die Kommune an, der Situation Herr zu werden. Schon eine drohende Obdachlosigkeit sei ein potenzieller Grund für eine Abschiebung, das gelte selbst für EU-Bürger wie Rumänen und Bulgaren. Bisher habe Duisburg von dieser Option noch keinen Gebrauch gemacht.

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