Union redet Rüstungsexporten das Wort

Wirtschaftsminister Gabriel sucht sein gutes Gewissen und wird zur Zielscheibe in der Koalition

  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Vision, die SPD, LINKE und Grüne zusammenbringen könnte: statt Rüstungsexportbericht Rüstungsexportverzicht.

Schützenpanzer für Indonesien und Algerien, Panzerhaubitzen und Radargeräte für Katar, Maschinengewehre für Oman, Granatwerfer für die Emirate, Sturmgewehre für Saudi-Arabien, Torpedos für Indien und Torpedoteile für Pakistan, Munition für Russland und die Ukraine ...

Insgesamt wurden 2013 Rüstungsexporte im Wert von 8,34 Milliarden Euro genehmigt. (2012: 8,87 Milliarden Euro). Die Geschäfte wurden nicht selten durch die Fürsprache der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung eingefädelt und von ihr mit Steuergeldern abgesichert. Und so hätte es nach Ansicht der Union weitergehen sollen, Steigerungsraten inbegriffen. Egal, dass man dabei die eigenen Exportrichtlinien missachtet.

Die aber hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) offenbar wiederentdeckt. Er will sogar zu ihnen zurückkehren. Kaum angedeutet, schon steht sein Vorhaben unter Dauerbeschuss. Die Union, Industrievertreter und Betriebsräte feuern nach Kräften. Bereits vor einem Monat hatten neun Unionsabgeordnete einen Brief an Kanzlerin Angela Merkel geschrieben und sich beschwert, ihr »Vize« habe »ohne Abstimmung eine Kehrtwende in der deutschen Exportpolitik« gemacht.

Nun hat CSU-Chef Horst Seehofer laut geklagt: »Ich halte es nicht für zielführend, wenn Sigmar Gabriel jetzt versucht, einfach auf dem Verwaltungsweg etwas zu verändern.« Der Bayern-Premier riskiert einen kleinen Koalitionsknatsch, wenn er poltert, dass Gabriel »ohne Konzeption und ohne klaren Kompass einen faktischen Exportstopp« herbeiführe. Er, Seehofer, könne dieses Extrem »nicht mittragen«, liest man in der »Welt am Sonntag«.

Die Industrie selbst tut extrem verunsichert. Ihre Lobbyisten haben Dauerstress. Firmen wie das Familienunternehmen Diehl arbeiten Argumentationshilfen aus. Etwa so: Europa profitiere »von Frieden, Freiheit und Sicherheit als Basis für wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand«. Das, was so selbstverständlich scheint, setze die Fähigkeit voraus, »für diese Grundwerte einzustehen«.

Die deutsche Verteidigungsindustrie verfüge »über die Fähigkeit, Entwicklung, Fertigung, Beschaffung und Nutzungsbetreuung von Wehrmaterial langfristig zu begleiten und das dafür notwendige System-Know-how dauerhaft vorzuhalten«. Nur eine eigenständige Verteidigungswirtschaft könne die politisch als wichtig eingeschätzte Liefer- und Versorgungssicherheit der Bundeswehr gewährleisten. Und dann kommt die große »Friedenskeule«: Deutschlands Beteiligung bei der Lösung internationaler Konflikte »kann entweder in der Bereitstellung von Soldaten oder in der Lieferung von Wehrmaterial zur Selbstertüchtigung internationaler Streitkräfte bestehen – aber nur, wenn wir moderne militärische Ausrüstung bieten, die am Weltmarkt gefragt ist«.

Der Erhalt einer eigenständigen Verteidigungsindustrie sei zudem im Interesse des deutschen Steuerzahlers und des Staates. Erstens: Was im Ausland beschafft werden müsse, sei einfach zu teuer. Zweitens: Die Rüstungsindustrie zahle ja kräftig Steuern. Das wichtigste Argument aber lautet: Gabriel und alle, die Rüstungsexporte drosseln oder wie die Linkspartei ganz beenden wollen, bedrohten 200 000 Arbeitsplätze. Drohendes Elend malten auch 20 Betriebsräte an die Wand, die in einem Brief an Gabriel ihre Bedenken deutlich machten. Sie befürchten das Abwandern von Unternehmen.
An diesen Argumenten kann sich der Bundeswirtschaftsminister natürlich nicht vorbeischleichen, auch wenn im gesamten deutschen Rüstungsexportbereich nicht 200 000, sondern höchsten 30 000 Menschen beschäftigt sind. Doch in der Tat, von Gabriels Einkehr wären zum Teil strukturschwache Gebiete betroffen. Beispielsweise der Kleinwaffenhersteller Heckler&Koch im Schwarzwald oder die Werften an der Ost- und Nordseeküste.

Es ist also nicht damit getan, dass man in Gabriels Ministerium Unterschriften unter Exportersuchen verweigert, die Lieferungen in Unrechtsregime oder Krisengebiete zum Ziel haben. Man muss schon gesamtgesellschaftliche Konversionsprojekte entwickeln und deren Durchsetzung stimulieren.
Der Industrie würde es letztlich egal sein, was sie produziert – Hauptsache, der Gewinn im In- und Ausland stimmt. Der deutsche Beitrag, durch Exportverzicht zu mehr Frieden und Sicherheit in der Welt beizutragen, beginnt also im eigenen Land. Bei allen sonstigen inhaltlichen Differenzen, in der Frage könnte die SPD – so sie will – auf Linkspartei und Grüne zählen.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal