Ein Akku im Gebirge

Der modernisierte Pumpspeicher Wendefurth ist wieder am Netz / Sparte bereitet Probleme

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach zwei Jahren Sanierung ist der Pumpspeicher Wendefurth im Harz wieder am Netz. Derlei Kraftwerke sind für die Energiewende wichtig - haben aber große Probleme.

Thale. Für ein Auto wäre die Zeit nicht beeindruckend: Von 0 auf 100 in zwei Minuten - Rennfahrer würden müde lächeln. Für ein Kraftwerk aber ist dieser Blitzstart eine beachtliche Leistung. Mit Gas betriebene Anlagen benötigen gut eine Viertelstunde, bis sie voll am Netz sind; beim Pumpspeicherkraftwerk Wendefurth, das diese Woche nach einer 40 Millionen Euro teuren Modernisierung wieder an das Netz ging, sind es nur noch 120 Sekunden. Nach dieser Zeit können 80 Megawatt Strom abgegeben werden.

Diese Schnelligkeit wird im Stromnetz zunehmend geschätzt. Weil nicht mehr Atom- und Kohlekraftwerke im Dauerbetrieb dominieren, sondern an manchen Tagen der Strombedarf bereits vollständig von Windrädern und Solarpaneelen gedeckt wird, die freilich nicht kontinuierlich produzieren, kommt es zu zunehmenden Schwankungen.

Neubau mit Hindernissen

Pumpspeicherkraftwerke sind, darin sind sich Experten einig, wegen der Energiewende in Deutschland wichtiger denn je. Derzeit gibt es 32 Anlagen mit einer Gesamtleistung von knapp sieben Megawatt, die im Jahr 50 Gigawattstunden Strom erzeugen können. Prognosen zufolge ist der Bedarf ab dem Jahr 2020 aber rund dreimal so hoch. Derzeit sind 16 Neubauten geplant, darunter das Kraftwerk Atdorf im Schwarzwald, das mit 1,4 Megawatt das größte in Europa würde; es soll nach 2018 in Betrieb gehen. Allerdings gab und gibt es heftigen Widerstand von Natur- und Landschaftsschützern. Weil die dem gleichen politischen Lager zugeordnet werden wie die Befürworter erneuerbarer Energien, gibt es Schlagzeilen wie »Grün gegen Grün«. Das Dilemma ist nur in Ausnahmefällen aufzulösen - durch Ansätze wie etwa in Porta Westfalica. Dort soll ein unterirdischer Pumpspeicher in einem alten Bergwerk gebaut werden. hla

Zum Ausgleich werden Anlagen benötigt, die Strom speichern und bei Bedarf schnell abgeben können. Geforscht wird an vielen Varianten; die einzige Technologie, die erprobt und großtechnisch verfügbar ist, sind die Pumpspeicherkraftwerke. Im Kraftwerk Wendefurth wird seit dem Jahr 1967 auf diese Weise Strom produziert. Die Anlage in Niederwartha bei Dresden ist sogar bereits seit 1927 in Betrieb.

Die Funktionsweise der Speicher ist simpel: Sie bestehen im Kern aus zwei in unterschiedlicher Höhe liegenden Becken. Wird viel und billiger Strom erzeugt, pumpen sie das Wasser nach oben; fehlt Strom, läuft das Wasser zu Tal und treibt dabei Generatoren an. Im Kraftwerk Wendefurth, das im Harz bei Thale liegt, beträgt der Höhenunterschied 126 Meter. Dank der Fallhöhe treibt das Wasser zwei Turbinen mit 40 Megawatt Leistung an. Unter den derzeit 36 Pumpspeicherkraftwerken in Deutschland gehört es zu den kleineren; die Anlagen in Goldisthal (Thüringen) und in Markersbach (Sachsen), die wie Wendefurth von Vattenfall betrieben werden, haben eine Leistung von 1,06 bzw. 1,05 Megawatt.

Für die Energieversorgung sind indes auch die kleineren Anlagen wichtig. Bei der Wiedereröffnung in Thale sprach Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) von den Pumpspeichern als einem »wichtigen Baustein der Energiewende«. Die grüne Energiepolitikerin Dorothea Frederking pries sie gar als »Schätze im Energiesystem«. Ihre besonderen Fähigkeiten beim Lastausgleich würden »gebraucht, wenn wir uns mehr und mehr mit erneuerbaren Energien versorgen«.

Solche Äußerungen stehen indes in scharfem Kontrast zu den Klagen der Kraftwerksbetreiber. Sie merken an, die Pumpspeicher seien derzeit »nahezu unwirtschaftlich«. Hauptgrund ist der Umstand, dass die Kraftwerke gesetzlich behandelt werden wie Endverbraucher - und damit auch Entgelte für die Netznutzung zahlen müssen. Befreit sind nur neu gebaute Anlagen innerhalb der ersten zehn Jahre.

Für Wendefurth, das auch nach der Modernisierung nicht befreit ist, müssen nach Angaben von Vattenfall pro Jahr 600 000 Euro gezahlt werden. Zugleich sinken die Einnahmen, die sich mit den Anlagen erwirtschaften lassen. Grund hierfür: Die Spanne der Strompreise ist im Tagesverlauf wesentlich geringer geworden. Früher wurde das Wasser auf den Berg gepumpt mit billigem Strom, den die stetig laufenden Atomkraftwerke nachts produzierten; erzeugt wurde Strom, wenn mittags die Nachfrage von Wirtschaft und Haushalten am größten und damit der zu erzielende Preis am höchsten war. Jetzt gehen die AKW vom Netz; der nachts in Kohlekraftwerken erzeugte Strom ist spürbar teurer. Zugleich gibt es am Mittag weniger zu verdienen, weil große Mengen Sonnenstrom bereit stehen. Laut Vattenfall-Sprecher Lutz Wiese ist die Spanne so gering, dass teilweise nicht einmal die Entgelte für die Netznutzung eingespielt werden - von denen darüber hinaus Pumpspeicher in Österreich und der Schweiz befreit sind. Im Bedarfsfall werden deshalb lieber Anlagen im Ausland hochgefahren als ein Kraftwerk wie das im Harz.

Die Branche hofft nun auf eine Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes, die für das zweite Halbjahr 2014 angekündigt ist. Die Berliner Koalition hat das Thema zwar auf dem Zettel - aber sie startet nicht ganz so schnell wie das Kraftwerk in Wendefurth.

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