Das Haus der guten Geister

In Friedrichsbrunn im Harz findet Ende August der 17. Bonhoeffertag statt - mit einer Austellungseröffnung

  • Uwe Kraus, Friedrichsbrunn
  • Lesedauer: 4 Min.
Was verband Dietrich Bonhoeffer mit Friedrichsbrunn? In dem kleinen Harzort steht das frühere Ferienhaus der Familie. Am 31. August soll darin nun eine neue Ausstellung eröffnet werden.

»Ein Bonhoeffer-Haus in Friedrichsbrunn? Bevor wir unser Projekt begonnen haben, sagte uns das nichts,« geben Ina Thomas und Lisa Manthei freimütig zu. Sie gehören zu den fünf Studierenden von Design-Professor Eberhard Högerle an der Hochschule Harz, die in Friedrichsbrunn, einem Ortsteil von Thale die neue und nunmehr vierte ständige Ausstellung zur Familie Bonhoeffer präsentieren.

Im Jahre 1913 hatten Karl und Paula Bonhoeffer das Ferienhaus in dem kleinen Harzdorf erworben, sie reisten mit ihren acht Kindern von Berlin aus dorthin. »Da brachten sie selbst ihre Ziege mit, die in Halberstadt umgeladen werden musste«, erzählt Pastorin Ursula Meckel. Die Erinnerungen an die Zeit im Ferienhaus gaben Dietrich Bonhoeffer später in schweren Stunden Kraft. So schrieb er im Juli 1943 - damals schon in Nazi-Haft - an seine Eltern von lauter guten Erinnerungen, »von denen man auf einmal als von guten Geistern umgeben ist; als erste sind es immer stille Sommerabende in Friedrichsbrunn, die mir gegenwärtig werden«.

Professor Günter Ebbrecht vom 2012 gegründeten Träger- und Förderverein des Bonhoeffer-Hauses erklärt, dass mit der Einrichtung in Friedrichsbrunn nicht nur Dietrich Bonhoeffer, einer der profiliertesten Vertreter der Bekennenden Kirche und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, gedacht werde. Es gehe auch um seine Familie, zu der auch andere interessante und einflussreiche Persönlichkeiten gehören und der Dietrich Bonhoeffer viel verdankte. Im 1996 in Bonhoeffer-Kirche umbenannten Gotteshaus in Friedrichsbrunn erinnern von der Berliner Bildhauerin Anna Franziska Schwarzbach geschaffene Kreuze an die vier Märtyrer der Familie: Klaus und Dietrich Bonhoeffer, Hans von Dohnanyi und Rüdiger Schleicher.

Derzeit wird in Friedrichsbrunn der 17. Bonhoeffertag vorbereitet, er soll am 31. August stattfinden. Zur Eröffnung der neuen Dauerausstellung im Bonhoeffer-Café an diesem Tag ist eine Mischung aus Freiluftgottesdienst, Vortrag und Familienfest geplant.

Erst vor einigen Tagen hatte Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff die Gedenkstätte und den Trägerverein gelobt. Dieser habe sich der Mission angenommen, das Werk der Familie Bonhoeffer wachzuhalten, zu erschließen und zugänglich zu machen. Das verborgene Kleinod in Friedrichsbrunn müsse neu ins Bewusstsein Sachsen-Anhalts und Deutschlands gehoben werden. Pfarrerin Ulrike Hackbeil aus Drübeck am Nordrand des Harzes verweist darauf, dass schon alle ihre Konfirmanden nach Friedrichsbrunn kommen. »So wie Bonhoeffer mit Konfirmanden anreiste.«

Man hat für die neue Ausstellung manches aufbereitet und an die Wand eines der beiden Ausstellungsräume Bonhoeffers 1944 entstandenes »Lied von den guten Mächten« kopiert. Ein Jahr lang arbeiteten die Studenten an Konzept und Gestaltung der Exposition. Sie zeigt auch einen Stammbaum und zahlreiche Fotos der weit verzweigten Familie Bonhoeffer. Jedoch fehlen bisher Fotos vom Interieur des Hauses und das Gästebuch, wobei über dessen Vorhandensein noch Unklarheit herrscht.

Die Familie Bonhoeffer hat am gesellschaftlichen Leben in Friedrichsbrunn zwischen 1913 bis 1945 teilgehabt. Das Haus nutzte sie intensiv als Ferien- und Begegnungsort für sich und viele befreundete Familien. Die Ausstellung soll die Besucher motivieren, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, woher die Kraft kommt, eindeutig Position zu beziehen oder welche Form von Widerstand vertretbar und nötig ist.

Noch nicht erforscht ist, ob sich in der Abgeschiedenheit im Harz auch die Widerständler getroffen haben. Nach längerem Bedenken über »die Frage des Tyrannenmordes« hatte sich Dietrich Bonhoeffer einer Widerstandsgruppe aus hochrangigen Personen aus Abwehrdienst und Wehrmacht angeschlossen. Nach einem missglückten Anschlag auf Hitler im Jahr 1943 war er verhaftet und am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg hingerichtet worden.

Nachfahren der Widerständler aus dem Kreis um Dietrich Bonhoeffer verwiesen bei den Bonhoeffertagen immer wieder darauf, dass in der DDR-Geschichtsschreibung erst spät auch der Widerstand jenseits kommunistischer Gruppen thematisiert worden sei. Dazu kam die jahrzehntelange Weigerung der BRD-Justiz, die Unrechtsurteile des Volksgerichtshofes aufzuheben und das Wirken des Widerstandes zu rehabilitieren.

Tobias Korenke, Enkel des ermordeten Bonhoeffer-Schwagers Rüdiger Schleicher, sagte bei einem Besuch in Friedrichsbrunn: »Ich bin davon überzeugt: Meine Großmutter hat die Ermordung ihres Mannes, die Ermordung ihrer engsten Verwandten nie überwunden. Ihre Erfahrung, was Menschen Menschen antun können, hat sie tief geprägt. Sie hat gelernt, damit zu leben. Irgendwie.«

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