Sieben Tage, sieben Nächte

Wolfgang Hübner über Wirkung und Interpretierbarkeit von Satire

  • Lesedauer: 2 Min.

Ach, der Hachfeld wieder. Neulich hatte unser Karikaturist Rainer Hachfeld eine Zeichnung im »nd«, die sich mit dem Uk-raine-Konflikt und dem umstrittenen russischen Hilfskonvoi beschäftigte. Zu sehen ist Wladimir Putin an einem Maschinengewehr, aus dem er in Richtung Ukraine feuert - und zwar mit lauter kleinen Lastkraftwagen. Ein Hachfeld, wie man ihn kennt: Wenn er ein Fechter wäre, dann würde er wohl nicht das Florett, sondern lieber den Säbel benutzen. Er provoziert und polarisiert; auch in der nd-Redaktion gelingt ihm das regelmäßig.

Als die Ukraine-Zeichnung da war, sagte ein Kollege: »Das hätte ich ihm gar nicht zugetraut.« Worauf eine Kollegin antwortete: »Der meint das anders, als du denkst.« Ist das nicht wunderbar? Eine Karikatur, die ihre Betrachter verstört und aus dem Denkmuster reißt. Denn man kann die Zeichnung einerseits so verstehen: Putin mischt sich aggressiv ein, auch mit dem Hilfskonvoi. Man kann sie aber andererseits auch ganz anders sehen: Alle werfen Russlands Präsident Expansionismus vor, und er schickt Hilfsgüter. Tja, und nun?

Nun könnte man den Künstler fragen, was er uns sagen wollte. Aber warum sollte er antworten? Hätte er etwas sagen wollen, dann hätte er einen Kommentar schicken können. Er hat aber gezeichnet, das ist sein Job. Wir Schreiberlinge, die wir nicht zeichnen können, müssen es mit der Sprache versuchen, wobei sich immer wieder herausstellt, dass man auch damit Ratlosigkeit und Fragezeichen verursachen kann. Texte, aus denen man nicht schlau wird, können große Kunst sein - oder einfach nur schlecht. Da liegt die Wahrheit im Auge des Betrachters, wie bei der Zeichnung.

Aber ist es wirklich die Wahrheit, die dort liegt? Oder sind es vielmehr die eigene Haltung, die eigene Meinung, das eigene Vorurteil? Schwierige Frage, zumal dann, wenn Humor im Spiel ist. Was der eine für ein gelungenes Bonmot hält, kann den anderen nicht im Geringsten erheitern. Überhaupt nicht lachen konnten beispielsweise Politiker aus SPD und Linkspartei über die Bemerkung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, zu den nächsten Fußball-Weltmeisterschaften in Russland und Katar werde Deutschland »schießendes Personal« schicken. Die Ministerin findet das nach wie vor zum Schießen; Humor ist eben Geschmackssache.

Vielleicht fällt ihr demnächst ja auch noch der Satz »Humor ist, wenn man trotzdem schießt« ein. Dazu kann man sich gleich wieder eine Hachfeld-Zeichnung vorstellen. wh

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