Ohnmächtige Beobachter

Die Berichte der OSZE-Missionen in der Ukraine vermitteln ein anderes Bild von dem Konflikt als die Medien

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
Was macht eigentlich die Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ukraine? Unser Korrespondent fragte in der Wiener OSZE-Zentrale nach.

Seit Ende Mai 2013 zwei Beobachtergruppen der OSZE im Osten der Ukraine festgesetzt wurden, ist es still geworden um die Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Selbst als die separatistischen Selbstverteidigungskräfte die Teams einen Monat später freiließen, ging das in der medialen Berichterstattung fast unter. Die OSZE blieb indes an Ort und Stelle und beobachtet die Situation.

Laut Auskunft der OSZE-Pressestelle in Wien besteht zurzeit regelmäßiger Kontakt zu allen 248 Mitarbeitern der »Special Monitor Mission«, die sich in der Ukraine aufhält. Neben ihrem Hauptsitz in Kiew unterhält die OSZE Missionen in zehn ukrainischen Städten von Tscherniwzi und Lwiw im Westen bis nach Donezk und Lugansk im Osten. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in den umkämpften Gebieten des Donezbeckens.

Täglich veröffentlichte Berichte der OSZE zeichnen ein etwas anderes Bild der Lage, als es die Medien vermitteln, die sich auf die Kämpfe konzentrieren und nebenher kräftig antirussische Ressentiments befeuern. Aber auch die ohnmächtige Stellung der internationalen Organisation wird beim Lesen der Pressemeldungen deutlich. Dokumentiert werden alle Arten von Zwischenfällen, die den Beobachtern zugetragen werden. Am 19. August 2014 berichtete die OSZE beispielsweise von einer Attacke auf ein ukrainisches Parlamentsmitglied, die sich drei Tage zuvor in der Kleinstadt Zmijiv, 40 Kilometer südlich von Charkow, zugetragen hatte. Dort beging die vormalige Regierungspartei, die Partei der Regionen, eine Gedenkveranstaltung zur Befreiung des Ortes von der deutschen Besatzung vor 70 Jahren. Ukrainisch-nationalistische Maidan-Aktivisten aus Charkow protestierten lautstark dagegen, beflaggten die Umgebung mit ukrainischem Blau-Gelb und bewarfen den Abgeordneten mit einer Säure.

Die örtliche Polizei sah die Proteste gegen die Befreiung von nazideutscher Okkupation friedlich verlaufen, der attackierte Mandatsträger warf den Sicherheitskräften dagegen vor, untätig geblieben zu sein. Im selben OSZE-Report vom 19. August wurde anschließend noch von zwei Kundgebungen in Charkow berichtet: Bei einer von ihnen wurde unter Fahnen der rechtsradikalen Swoboda-Partei Geld für freiwillige Kämpfer im Donbass gesammelt. Gleichzeitig versammelten sich großteils ältere Frauen unter dem Lenin-Denkmal, um für Föderalismus zu demonstrieren.

Neben der Dokumentation politischer und militärischer Zusammenstöße widmet sich die OSZE im Osten der Ukraine hauptsächlich der Beobachtung von Flüchtlingsströmen. So registrierte ein internationales Team am Grenzübergang zur nun russischen Krim am 18. August innerhalb von 24 Stunden 55 voll besetzte Busse, die aus dem Donbass Fliehende in Sicherheit brachten. Tags zuvor war ein anderes OSZE-Team an der ukrainisch-russischen Grenze bei Nowoasowsk südlich von Donezk auf eine kilometerlange Autokolonne gestoßen, deren Insassen darauf warteten, nach Russland fliehen zu können.

In russischen Medien wurde wiederholt der Leiter der OSZE-Mission an der russisch-ukrainischen Grenze, Paul Picard, zitiert. Nicht nur, dass er die Rückkehr des jüngsten russischen Hilfskonvois aus der umkämpften Stadt Lugansk »ohne Zwischenfälle« bestätigte. Picard wusste bisher auch nicht von russischen Militärkolonnen zu berichten, die - wie Kiew behauptet - die Grenze überquert haben sollen.

Eine Aufrüstung der OSZE-Mission mit unbewaffneten Drohnen zur Überwachung der ukrainischen Außengrenze könnte demnächst bevorstehen. Die österreichische Firma Schiebel bereitet sich schon auf die Lieferung entsprechender Geräte vor.

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