Unkontrollierbar

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 2 Min.

Eine neue Politik hatte Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg am Wochenende angemahnt, doch stattdessen entschied sich Präsident François Hollande für eine neue Regierung. In der ist für Montebourg kein Platz mehr. Zu laut und deutlich hatte der zum linken Flügel der Sozialisten (PS) zählende Jurist einen Kurswechsel gefordert - weg vom brutalen Sparen auf Kosten der sozial Schwächsten und vom dogmatischen Schielen auf die von der EU fixierte Neuverschuldungsrate von drei Prozent.

Dabei ist Montebourg, der unter Hollandes erstem Premier Jean-Marc Ayrault Minister für Industriellen Aufschwung und in den letzten fünf Monaten unter Manuel Valls Wirtschaftsminister war, nicht reformresistent. Er hatte sich für Flexibilität jeder Art eingesetzt, wenn sie nur der Wiederankurbelung der Wirtschaft diene. Dabei scheute der 51-Jährige auch ungewöhnliche Maßnahmen nicht, bis hin zur Forderung nach Steuerschutzwällen und zur Kampagne »Kauft patriotisch!«. Dafür stand Montebourg sogar Fotografen im blau-weiß gestreiften T-Shirt aus der Bretagne und mit einer Küchenmaschine aus einheimischer Produktion im Arm Modell.

Doch unter einem Präsidenten, dem Kompromisse und ein einvernehmliches Verhältnis zur Unternehmerschaft über alles gehen, wurde Montebourg immer wieder ausgebremst. So hatte er den um Erhalt ihres Standortes Florange bangenden Stahlarbeitern versprochen, das ArcelorMittal-Werk notfalls zeitweise zu verstaatlichen. Hollande ließ seinen Minister aber im Regen stehen. Das Werk in Florange ist heute geschlossen. Nicht zufällig verzeichnete die rechtsradikale Front National bei den Kommunalwahlen dort Rekordergebnisse.

Diesmal hat Montebourg wohl den Bogen überspannt. Vielleicht provozierte er aber auch seinen Rausschmiss aus dieser Verlierermannschaft, um sich für das Rennen um die PS-Kandidatur für den Präsidentschaftswahlkampf 2017 in Stellung zu bringen. Zuzutrauen wäre dies Montebourg, den ein Kommentator einmal ein »unkontrollierbares Neutron« nannte.

- Anzeige -

Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.

Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen

Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.