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Stimmenfang auf Sorbisch
LINKE präsentierte spezielle Wahlplakate und traf sich mit der Domowina
Durch das Bild rennen drei ältere Frauen aus der Schleifer Gegend, die unverheiratet sind. Das erkennt Heiko Kosel an ihren sorbischen Trachten. »Sie beeilen sich, um noch rechtzeitig ins Wahllokal zu kommen und die LINKE anzukreuzen«, interpretiert Kosel scherzhaft den Anblick.
Heiko Kosel ist Sachse und Sorbe. Er sitzt für die LINKE im Dresdner Landtag und hält vor dem Wendischen Haus in Cottbus gerade das spezielle sorbische Plakat hoch, das seine Partei für die sächsische Landtagswahl am 31. August anfertigen ließ. Darauf sind die drei unverheirateten Frauen zu sehen und der obersorbische Schriftzug »Za prawa Serbow«. Das heißt auf Deutsch soviel wie, die Rechte der sorbischen Minderheit sollen gestärkt werden.
Es gibt auch eine niedersorbische Variante für die Landtagswahl am 14. September in Brandenburg. Dieses Wahlplakat zeigt die niedersorbische Übersetzung »Za psawa Serbow« und auf einem Foto Frauen in der wendischen Tracht, die für den Spreewald typisch ist. 150 dieser niedersorbischen Plakate hat Brandenburgs LINKE für die Landtagswahl drucken lassen, sagt Vorstandsmitglied Sten Marquaß. Diese kleine Stückzahl wird ganz gezielt im sorbischen Siedlungsgebiet aufgehängt, zum Beispiel vor dem Niedersorbischen Gymnasium in Cottbus und in Orten wie Dissen, Briesen, Burg und Werben.
Selbstverständlich sprechen alle Sorben auch Deutsch. Die sorbischen Plakate haben aber eine Symbolwirkungen. Die LINKE hat auch in vorangegangenen Landtagswahlkämpfen dieses Mittel eingesetzt, um zu zeigen, wie sehr ihr die Belange der sorbischen Minderheit am Herzen liegen. In Brandenburg sind die sorbischen Plakate ein Alleinstellungsmerkmal. Von anderen Parteien hat es Derartiges noch nicht gegeben.
In Sachsen legte im Landtagswahlkampf nun ausgerechnet die NPD ein sorbisches Plakat mit dem Spruch »Domizny skitac« (»Heimat schützen«) vor. Eine Frechheit der Neonazis. Schließlich haben die Nazis einst alle sorbischen Vereine und den Dachverband Domowina verboten, die sorbische Sprache unterdrückt und sorbische Widerstandskämpfer ermordet.
Die Domowina reagierte auch empört. »Der Missbrauch sorbischer Werte im rechtspopulistischen Wahlkampf ist unsererseits nicht gewünscht«, stellte der Domowina-Vorsitzende David Statnik klar. »Wir werten diesen Akt lediglich als plumpe und unlautere Stimmenhascherei.« Plakate der NPD gegen die Minderheit der Sinti und Roma zeigen Statnik zufolge das »wahre Gesicht dieser Partei«.
Der Linkspartei glaubt die Domowina jedoch, dass diese es ehrlich meint. Das zeigte sich am Mittwochnachmittag bei einem Besuch von Landtagskandidaten der brandenburgischen LINKEN im Wendischen Haus in Cottbus. Dazu kam Hajko Kozel, so die sorbische Namensform des sächsischen Landtagsabgeordneten von der LEWICA - der LINKEN. Denn er ist nun einmal der einzige sorbische Parlamentarier, den die Partei vorzuweisen hat. Die märkische Linksfraktion hat niemanden mit sorbischen Wurzeln oder sorbischen Sprachkenntnissen in ihren Reihen. Allerdings engagiert sich Fraktionsgeschäftsführerin Renate Harcke seit vielen Jahren beharrlich für die Sorben. Das fruchtete auch.
Mit der Neufassung des brandenburgischen Sorbengesetzes durch die rot-rote Koalition sei »eine ganze Menge erreicht, was wahrscheinlich ohne die LINKE nicht möglich gewesen wäre«, lobt Meto Nowak, Vorsitzender des niedersorbischen Regionalverbandes der Domowina. Einige Wünsche seien aber noch offen. Es genüge beispielsweise nicht, wenn Brandenburg sich aus der Ausbildung niedersorbischer Lehrkräfte freikaufe durch die Finanzierung einer kläglichen halben Stelle am Institut für Sorabistik an der Universität Leipzig. Hier müsste das Land nach der Wahl noch eine weitere halbe Stelle für die Fachdidaktik schaffen.
40 000 Euro im Jahr würde das kosten, überschlägt Renate Harcke und notiert sich das. Weitere 26 000 Euro wären notwendig für niedersorbische Sprachkurse von Kita-Erzieherinnen. Das Problem lässt sich wahrscheinlich lösen.
Extrem schwierig wird es bei der Braunkohle. In dieser Frage habe die LINKE »massiv Vertrauen verloren« wegen der »verheerenden Entscheidung« für den Tagebau Welzow-Süd II, bemerkt Meto Nowak. Der Ort Proschim (sorbisch: Prozym) soll abgebaggert werden - und mit jedem sorbischen Dorf, das der Kohle weichen muss, verschwinde ein Stück »sorbische Substanz«, sagt Nowak, der sich dabei auf die Erfahrungen der vergangenen 100 Jahre beruft. Den Versicherungen der Sozialisten, dass der ebenfalls geplante Tagebau Jänschwalde-Nord aber wirklich nicht zugelassen werde, womit die Dörfer Atterwasch, Grabko und Kerkwitz gerettet wären, mag Meto Nowak nun nicht mehr glauben. Immer werde erzählt, dieses Dorf sei das letzte, das verschwinden müsse. Das sei erst bei Horno so gewesen und nun bei Proschim. Immer komme es anders.
Der Landtagsabgeordnete Matthias Loehr bedauert: »Wir sind in dieser Koalition nicht der stärkere Partner.« Er bemüht sich redlich, die umstrittene Zustimmung der vier Minister der Linkspartei zum Braunkohlenplan zu erklären und zu rechtfertigen. Loehr beteuert, am Ziel des Braunkohleausstiegs spätestens im Jahr 2040 halte die LINKE fest.
Fraktionskollege Norbert Müller schildert seinen Frust, weil Brandenburg zwar Vorreiter bei den erneuerbaren Energien sei, der hier erzeugte Braunkohlestrom aber trotzdem nicht weniger werde. Leider gebe es in der SPD nur Applaus, wenn die Abgeordnete Martina Gregor-Ness in Bergmannsuniform zu Fraktionssitzungen erscheine, schimpft Müller. Und die CDU-Fraktion habe die Abweichlerin Monika Schulz-Höpfner, die in Atterwasch wohnt und gegen den Tagebau ist, einfach herausgedrängt. Schulz-Höpfner steht jetzt auf einem ziemlich aussichtslosen Listenplatz ihrer Partei für die Landtagswahl.
Das sei ja alles richtig, gesteht Heiko Kosel, der in diesem Moment irgendwie zwischen der Partei und der Domowina steht. Es bleibe aber doch eine »berechtigte Enttäuschung«, erzählt er. Das Verhalten der Partei in Brandenburg werde den Genossen in Sachsen genüsslich vorgehalten.
Auch Meto Nowak lässt sich mit den Erklärungen nicht zufriedenstellen. Die »Befindlichkeiten« in den Parteien seien den Sorben egal, sagt er. Was zählt, sei das Ergebnis.
Die freundliche und gelöste Stimmung am Tisch ist plötzlich weg. Sie wird aber wieder besser. Da traut sich sogar die Landtagskandidatin Anke Schwarzenberg, die vorher lieber nichts sagte, das Wort zu ergreifen. Sie wolle nicht verschweigen, dass sie beim Energiekonzern Vattenfall arbeite und innerhalb ihrer Partei die Minderheitsmeinung vertrete, dass die Braunkohle noch länger gebraucht werde. Trotzdem würde sie in allen anderen Fragen den Sorben gern helfen, falls sie ins Parlament gewählt wird, verspricht Schwarzenberg. Leider habe sie sich mit Minderheitenpolitik noch nie befasst.
Das mache nichts, die Domowina gebe da gern Nachhilfe, bietet Meto Nowak an. Er lächelt. Schwarzenberg lächelt auch.
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