Ein Abschluss vor der Tarifrunde

Die Autogrill-Beschäftigten bereiten sich nach dem Ende ihres langen Streiks an Autobahnraststätten auf die nächste Auseinandersetzung vor

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Gewonnen: Der Streik ist vorbei. Der Raststättenbetreiber Autogrill ist dem Arbeitgeberverband BdS beigetreten. Die Beschäftigten haben damit Tarifbindung. Sie hatten einen Haustarifvertrag gefordert.

Mit dem Eintritt des Raststättenbetreibers Autogrill in den Bundesverband der Systemgastronomie (BdS) ist ein knapp fünf Monate andauernder zäher Arbeitskampf in Thüringen und Bayern zu Ende gegangen. In den vom Wirtschaftsministerium vermittelten Verhandlungen einigten sich die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und die Geschäftsführung am Mittwoch in Erfurt. »Damit werden die Arbeitsbedingungen der bundesweit rund 1300 bei Autogrill Beschäftigten tariflich abgesichert«, so Walter Linner von der NGG Bayern. Er lobte den »mutigen Arbeitskampf«.

Die mit geschätzten 3500 Streikstunden sehr lange Auseinandersetzung an den Raststätten Eisenach, Hörselgau, Rhön, Greding und Donautal-Ost war ein Aufschrei von rund um die Uhr tätigen Niedriglöhnern gegen schlechte Bezahlung und fragwürdige Arbeitsbedingungen in einer tarifvertragsfreien Zone. Mit der Übernahme des Manteltarifs für die Systemgastronomie ist nun geregelt, was anderswo längst üblich ist - die Auszahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Lohnzuschlägen für Mehrarbeit oder Nacht- und Feiertagsarbeit. Zur Systemgastronomie zählen Schnellrestaurants und Imbissketten.

Die NGG war mit der Forderung nach einem Haustarifvertrag in die Auseinandersetzung gegangen. Da der BdS im Gegensatz beispielsweise zum Deutschen Hotel- und Gaststättenverband keine tariflose Mitgliedschaft zulässt, gelten die Tarifverträge zwischen NGG und BdS nun auch für die Beschäftigten bei Autogrill. Der Arbeitskampf ist damit vorbei, das Ziel »Tarifvertrag« erreicht - ein geschickter Zug der Arbeitgeberseite, denn die Tariflöhne des BdS sind teilweise deutlich niedriger als das, was ein Haustarifvertrag gekostet hätte.

Die Autogrill-Manager hatten eine Tarifbindung zunächst kategorisch ausgeschlossen und versucht, den Arbeitskampf auszusitzen. Mit einem aufwendigen Einsatz von Streikbrechern, die aus allen Himmelsrichtungen herangekarrt worden waren, wollten sie den Streik unterlaufen. Allerdings dürfte trotz dieser Maßnahmen der Umsatz an den Streiktagen spürbar eingebrochen sein. So waren am Eisenacher Rasthof die Tankstellen in den letzten Streikwochen in den Nachtstunden mindestens zwischen Sonntag und Mittwoch komplett geschlossen. Die Geschäftsführung hatte unter diesem Druck schon vor Wochen etwa am Rasthof Eisenach die Stundenlöhne auf 8,50 Euro angehoben. Dahinter kann sie nicht mehr zurück.

Die Zuordnung der Beschäftigten zu den Lohngruppen im BdS-Tarifvertrag ist nun Aufgabe der Betriebsräte. Weil die Tariflöhne in der Systemgastronomie in den unteren Lohngruppen und im Osten unter 8,50 Euro liegen, strebt die NGG eine deutliche Tariferhöhung an. Sie hat die Tarifverträge mit dem BdS gekündigt. Ende September sollen dem Vernehmen nach die Verhandlungen beginnen. Es wird mit einer harten Tarifrunde gerechnet, da Anfang 2015 der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro kommt und die Arbeitgeberseite teilweise die Löhne erhöhen muss. »Nach der Tarifrunde ist vor der Tarifrunde«, bringt die Thüringer NGG-Sekretärin Monika Leichtenberger die Stimmung der Streikenden auf den Punkt. Nach den jüngsten Erfahrungen seien sich die Mitglieder bewusst, dass sie wachsam bleiben müssen. Der Streik habe den Zusammenhalt und die Gewerkschaft gestärkt.

Mehrheitseigentümer des weltumspannenden Autogrill-Konzerns ist die italienische Unternehmerfamilie Benetton. Die NGG hatte für diesen Freitag einen Aktionstag vor zahlreichen Benetton-Filialen geplant. Der wurde inzwischen abgeblasen. »Die Ankündigung des Benetton-Aktionstages hat gewirkt«, ist sich Walter Linner sicher.

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