Leiden Schweinswale unter Lärmstress?

Forschungsprojekt in Ost- und Nordsee soll herausfinden, wie die Meerestiere auf Geräusche reagieren

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Forscher untersuchen in einmaligen Projekt Auswirkungen von Krach auf Meeressäuger in Ost- und Nordsee.

In den deutschen Meeren ist es laut. Immer mehr Schiffsverkehr, militärische Manöver sowie Bauarbeiten in den Offshore-Windparks lassen die Lärmpegel in Nord- und Ostsee ansteigen. Forscher aus Norddeutschland und Dänemark wollen jetzt herausfinden, wie sich der zunehmende Krach auf die Gesundheit der Schweinswale auswirkt. Dazu erheben sie weltweit erstmalig auch im Freiland Daten zur Hörfähigkeit und Hörempfindlichkeit der Meeressäuger.

Schweinswale werden bis zu zwei Meter lang. Sie sind die mit Abstand häufigsten Wale in der Nord- und Ostsee. Aktuellen Zählungen zufolge gibt es in der Nordsee noch rund 250 000 Tiere, in der westlichen Ostsee sind es knapp 20 000. Der Bestand ist jedoch rückläufig. Ursachen dafür sind wahrscheinlich Gifteinleitungen in die Meere und Erstickungstod in den Fischernetzen.

»Die Lärmbelastung in unseren Gewässern nimmt zu«, sagt Ursula Liebert vom Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung der Tierärztlichen Hochschule Hannover. In der Nordsee entstünden vor allem bei der Installation der Fundamente für die Windkraftanlagen sehr hohe Schallpegel, die noch in sehr großer Entfernung hörbar sind. Bei Messungen im Sylter Außenriff waren im Herbst 2013 an mindestens sechs von zehn Positionen Schallereignisse aus zwei und mehr Windparks nachweisbar.

In der Ostsee hängt die Lärmbelastung vor allem von der Dichte des Schiffsverkehrs ab. So ist es im Fehmarnbelt, einer sehr stark befahrenen Wasserstraße, sehr viel lauter als etwa in den abgelegenen Schutzgebieten der Pommerschen Bucht östlich von Rügen. Dort sind über lange Zeiträume ausschließlich natürliche Geräusche zu hören, während der zehnwöchigen Messungen der Forscher gab es nur wenige laute, durch Menschen hervorgerufene Ereignisse.

»Für ein effektives Management zum Schutz der Wale benötigen wir dringend Kenntnisse über die Auswirkungen dieser unterschiedlichen Belastungen«, betont Liebert. Die Wissenschaftler - außer den Niedersachsen sind Experten aus dem schleswig-holsteinischen Schwentinental und dem dänischen Aarhus beteiligt - werden nach eigenen Angaben von dänischen Fischern benachrichtigt, wenn diese versehentlich Schweinswale gefangen haben. Dann untersuchen die Forscher die Hörfähigkeit der Tiere und lassen sie anschließend frei.

»Wir simulieren einen Impuls, der vergleichbar ist mit dem Lärm, der entsteht, wenn die Fundamente der Windkraftanlagen in den Meeresboden gerammt werden«, erläutert Projektleiter Andreas Ruser. Die Ergebnisse dieser Messungen zeigten, wann durch den Lärm bei den Meeressäugetieren eine vorübergehende Schädigung des Gehörs eintrete.

Zudem untersuchen die Wissenschaftler das Gehör von gestrandeten und tot in Fischernetzen geborgenen Schweinswalen. »Wir haben viel mehr Veränderungen gefunden, als wir erwartet hatten«, sagt Liebert. »Dazu zählen Infektionen, Parasitenbefall, Blutungen und traumatisch bedingte Veränderungen«. Als nächsten Schritt werden die Forscher prüfen, wie stark Schweinswale ihr Fressverhalten unter Lärmstress ändern. Dies ermöglicht es, zu berechnen, wie viel mehr Energie die Meeressäuger durch diese Störungen verbrauchen. Schon frühere Erhebungen hatten gezeigt, dass Schweinswale aus der Nord- und Ostsee deutlich häufiger krank sind als ihre Artgenossen aus den zum Beispiel weniger belasteten arktischen Gewässern.

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