Gut Hellersdorf braucht Zukunft

Künstler wollen das denkmalgeschützte Gelände im Sinne der Bürger entwickeln

  • Steffi Bey
  • Lesedauer: 3 Min.
Was ist gut für das Gut Hellersdorf? Auf jeden Fall soll in die denkmalgeschützten Bauten wieder Leben einziehen. Mit der Aktion »Macht es bunter« rückten Künstler den Standort ins Bewusstsein.

Irgendwie stand das rund acht Hektar große Gelände an der Alten Hellersdorfer Straße in den vergangenen 20 Jahren immer mal wieder in den Schlagzeilen. Denn Ideen für die historische Mitte der Großsiedlung - das Gut Hellersdorf - gab es einige: für ein Sport-, Kultur und Freizeitzentrum beispielsweise, einen Gewerbe- und Dienstleistungspark mit speziellen Wohnformen oder ein Zentrum für moderne Kunst. Doch umgesetzt wurde davon nichts. Interessenten sprangen jedes Mal wegen zu hoher Kosten ab.

Das Areal mit seinen 150 Jahre alten Backsteinscheunen, Katen und Ställen verfiel in einen Dornröschenschlaf. Nur ein paar Gewerbetreibende halten am Standort aus. Gerne würden sie dort ihre Unternehmen entwickeln. Aber kurzfristige Mietverträge sind nun mal kein Anreiz für langfristige Investitionen.

Ankelina Möller und Roman Hillmann wollen mit ihrer Aktion am Sonnabend den Startschuss für eine neue Ära auf dem denkmalgeschützten Areal geben. »Wir möchten das Gut Hellersdorf ins Bewusstsein rücken«, sagt Hillmann, der früher als Produktionsleiter bei einer Fernsehstation arbeitete und sich inzwischen als Künstler bezeichnet. Auch seine Partnerin betont: »Das Gelände hat sehr viel Potenzial.«

Kultur trifft Wirtschaft, beschreibt das Paar seine Gedanken für die Zukunft des Grundstücks. In den alten Scheunen wäre Platz für Theater und Konzerte, in die leeren Hallen könnten Ateliers ziehen und auch für Gastronomie gebe es genügend Raum. »Hier muss etwas für die Hellersdorfer entstehen und gleichzeitig ein Ort, der Besucher aus anderen Teilen der Stadt anzieht«, ist das Künstlerpaar überzeugt.

Dass es möglich ist, aus einem halb verfallenen Ort am Berliner Stadtrand einen kulturellen Anziehungspunkt zu schaffen, haben die beiden in den vergangenen Monaten bewiesen. Sie mischten aktiv mit, als es darum ging, den alten, leer stehenden Viehhof an der Beilsteiner Straße zu einem Kunst-, Handwerks- und Kulturort mit dem Namen Alte Börse aufzubauen. Einige der letzten zwangsgeräumten Tacheles-Künstler fanden dort ein neues Quartier. »Marzahn wird längst als neuer Berliner Kulturstandort angenommen«, sagt Roman Hillmann.

Fünf Millionen Euro hat der Freiburger Investor Peter Kenzelmann in dieses Projekt investiert. Mittlerweile kommen regelmäßig auch Stadtplaner, Journalisten, Künstler und Politiker vorbei. Auf dem Programm stehen unter anderem Filmabende und Konzerte. Und im Biergarten wird Hausgebrautes ausgeschenkt. Die Alte Börse Marzahn wurde in Höchstgeschwindigkeit zur Marke.

»Es wäre toll, wenn sich auf dem Hellersdorfer Gutsgelände ebenso etwas tut und sich ein weiterer Kulturstandort etabliert«, sagt Anwohner Matthias Hartje. Er nimmt an der Aktion teil, bei der Ankelina Möller und Roman Hillmann am Sonnabend Türen der alten Hallen mit Kreide bemalen. Sie möchten damit öffentlich die Zukunfts-Ideen anschubsen. Auch mit dem Marzahn-Hellersdorfer Bezirksbürgermeister Stefan Komoß (SPD) haben sie schon gesprochen, mit Stadträten, Politikern, Vereinen und Künstlern.

Die aktuellen Pläne des Bezirks für das landeseigene Gelände, betrachten die beiden Initiatoren allerdings skeptisch. Wie berichtet, wird gerade gemeinsam mit dem Liegenschaftsfonds ein Investor für das Gut gesucht, der zugleich nördlich des Geländes Flächen erwirbt und dort neue Wohnungen errichtet. Die Grundstücke sollen nicht meistbietend, sondern nach der besten städtebaulichen Idee verkauft und entwickelt werden, sagte vor Kurzem Wirtschaftsstadtrat Christian Gräff (CDU).

Hillmann will demnächst »über die Parteien« einen Antrag in den Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses einbringen. Ziel sei es, den Prozess rund um das Gut genau zu beobachten und zu schauen, ob alles im Sinne der Bürger geschieht.

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