Machterhalt mit sanfter Härte

Polens Regierung Kopacz deutet entspannteren Kurs in der Ostpolitik an

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 3 Min.
Die neue polnische Regierung wurde soeben vereidigt und ist doch nur wieder ein Vorwahlen-Kabinett.

Nach der Vereidigung der alten neuen, nunmehr von Frau Ewa Kopacz angeführten polnischen Regierung bleibt zur Bewertung ihrer Mannschaft und politischen Vorhaben nur noch die Regierungserklärung abzuwarten. Sie ist ebenso wie eine sichere parlamentarische Bestätigung für den 1. Oktober angesagt.

Schon die Zusammensetzung dieser nun bereits 14. Nachwendemannschaft offenbart eine programmatische Aussage. Angesichts von drei in nur zwölf Monaten anstehenden Urnengängen - der Kommunal-, Präsidenten- und Sejmwahlen - ist dies wohl eine »Rettungscrew«. Sie soll der konservativen »Bürgerplattform« (PO) die Macht erhalten.

Ewa Kopacz nimmt sich vor, die verzankten Seilschaften innerhalb der inzwischen seit sieben Jahren gemeinsam mit den PSL-Bauern regierenden Post-Solidarnosc-Partei einigermaßen friedfertig zu stimmen. Das ist bisher dem zum EU-Ratspräsidenten gewählten Vorgänger Donald Tusk nicht gelungen. Aber Ewa Kopacz will die Befriedung nun »mit der sanften Härte einer Frau und Mutter« zustande bringen. Die Angst um den Verlust von Einfluss und Macht an die rechtskonservativ-populistische Partei »Recht und Gerechtigkeit« wird dabei wohl wirksamer sein.

Einer der fünf Neulinge in der 18-köpfigen Regierung hat eine besondere internationale Bedeutung. Radosław Sikorski war der antirussische Scharfmacher im »östlichen Vorneverteidigungsland der EU und der NATO«. Polen wurde allerdings in den letzten zwei Monaten zu keiner einzigen der »Krisensitzungen« zur ukrainischen Frage mehr eingeladen. Zum Nachfolger ist Grzegorz Schetyna, 51-jähriger Historiker aus Wroclaw, bestellt worden.

Der war in der politischen Hierarchie schon mal ganz oben. Dann wurde er einer Affäre in Sachen Spielautomaten verdächtigt und von Donald Tusk aus dem Amt des Innenministers entlassen. Da lief Schetyna dann mal traurig und mal lächelnd als völlig unschuldiges Opfer des Doppelchefs Tusk, der keinen Nebenbuhler in der Parteiführung zulassen wollte, in den Wandelgängen des Sejm herum. Um die ihm zugewiesene Aufgabe kümmerte er sich kaum. Der außenpolitische Ausschuss des Sejm spielte unter seinem Vorsitz keine Rolle.

Frau Kopacz ließ erkennen, dass sie den Sikorski-Kurs in der Ostpolitik nicht fortführen wolle. Schetyna versicherte gegenüber der Tageszeitung »Polska«, dass sein wichtigstes Ziel die Verbesserung der Beziehungen zwischen Warschau, Moskau und Kiew sei. Dass sie aber mit der Theologin Teresa Piotrowska eine ehemalige Religionslehrerin zur Innenmisterin kürte, trifft in einem großen Teil der Öffentlichkeit auf wenig Verständnis. Gerade Ewa Kopacz hatte im Gegensatz zur ersten geradezu bigotten Regierungschefin Hanna Suchocka, die 1992 bis 1993 das Kabinett führte, als frühere Gesundheitsministerin kirchenunfreundliche Entscheidungen in Bereichen wie der In vitro Befruchtung und Abtreibung nach Vergewaltigung getroffen. Teresa Piotrowska habe sich als Wojewodin in Bydgoszcz bewährt, argumentiert die Premierministerin. Außerdem sei es ihre Freundin.

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