Werbung

Das Gewalt-Erbe aus der Apartheid

Mord, Totschlag und Raub verzeichnen in Südafrikas extrem ungleicher Gesellschaft weiter traurige Wachstumsraten

  • Armin Osmanovic, Johannesburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit Apartheid-Zeiten herrscht in Südafrika ungebrochen eine Kultur der Gewalt. Die neuesten Zahlen belegen diese desaströse Entwicklung, die nicht zuletzt in Armut und Hoffnungslosigkeit wurzelt.

In Südafrika steigen Gewalt und Kriminalität weiter. Vor allem die hohe Zahl von Morden und gewalttätigen Raubüberfällen besorgt die Menschen im Land. Letztes Jahr wurden 17 068 Menschen in Südafrika ermordet. Damit stieg die Zahl der Mordopfer um fünf Prozent oder 809 Fälle im Vergleich zum vorangegangenen Jahr. Bereits im Jahr zuvor war die Zahl der Morde deutlich angestiegen. Damals um 6,5 Prozent. In Südafrika werden damit jeden Tag 47 Menschen ermordet, in Deutschland, mit deutlich mehr Einwohnern, waren es im Jahr 2013 lediglich 282 Morde und damit nicht einmal ein Mord pro Tag.

Stark gestiegen sind in Südafrika im vergangenen Jahr auch die Raubüberfälle, deren Zahl im Kriminalitätsjahr 2013/2014 119 351 betrug. Gegenwärtig erlebt Johannesburg und Umgebung eine Serie von bewaffneten Überfällen auf Einkaufszentren. Die gut organisierten Banden haben es auf Handy- und Luxusläden abgesehen. Aber auch die Kleinkriminalität an touristischen Orten scheint zuzunehmen, so dass kürzlich die US-Botschaft vor dem Besuch der Zoos in Pretoria wegen wachsender Überfälle auf Besucher warnte.

Angesichts dessen beruhigt es wenig, dass die zuständige Polizeiministerin Riah Phiyega bei der Präsentation der Kriminalitätszahlen in der vergangenen Woche für das abgelaufene Jahr einen leichten Rückgang von Laden- und Autodiebstähle sowie Hauseinbrüche und Vergewaltigungen zu vermelden hatte.

Die Ursachen von Gewalt und Kriminalität reichen für Chandre Gould, Kriminalitätsexpertin am Instituts für Sicherheitsstudien in Pretoria, in die Vergangenheit zurück. Der fehlende Respekt vor Recht und Gesetz bei vielen Menschen sei ein Erbe der Apartheid. Der Apartheid-Unrechtsstaat mit seiner rassistischen Gesetzgebung und Praxis habe bis heute eine große Distanz zu den Organen der Rechtssicherheit und Ordnung zur Folge.

Überraschend sind Gewalt und Kriminalität in Südafrika auch wegen der hohen sozialen Ungleichheit nicht. Vor allem seit der globalen Wirtschaftskrise 2008/2009, die auch in Südafrika zum Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen geführt hat, sind Arbeitslosigkeit und Armut weiter stark angestiegen.

Raub und Diebstahl sind offenbar für immer mehr Menschen die einzigen Auswege aus Armut und Hoffnungslosigkeit. Dass dabei häufig brutalste Gewalt angewandt wird, hat auch mit den Gewalterfahrungen zu tun, mit denen viele Menschen aufwachsen. In den Townships der großen Städte herrschen gewalttätige Banden, die Drogenhandel und Prostitution kontrollieren und nicht selten um die »Einkünfte« brutale Auseinandersetzungen führen.

Viele der Gewalttaten finden aber nicht zuletzt unter Einfluss von Alkohol und Drogen statt. Gerade an Wochenende, wenn in den Shebeens der Townships der Alkohol in Strömen fließt, um die eigenen und familiären Probleme wenigstens für einige Stunden zu vergessen, werden aus harmlosen Rangeleien schnell gefährliche Situationen, denn an tödlichen Waffen mangelt es in Südafrika nicht. Die Townships sind denn auch die Orte mit den höchsten Kriminalitätsraten.

Einen einfachen Ausweg aus Gewalt und Kriminalität, darin sind sich die Experten in Südafrika einig, gibt es nicht. Mehr Polizeipräsenz auf den Straßen, wie es die Polizeiministerin Phyiega bei der Präsentation der Kriminalitätszahlen versprach, ist sicher notwendig. Während der Fußballweltmeisterschaft 2010 gelang es, für einige Monate die Kriminalität durch mehr Polizei auf Straßen und Plätzen zu reduzieren. Langfristig brauchen die Südafrikaner und Südafrikanerinnen aber mehr Zukunftsperspektiven in Form von besserer Bildung und mehr Jobs.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal