Sieben Tage, sieben Nächte

  • Gabi Oertel
  • Lesedauer: 2 Min.

In dieser Woche herrschte bei uns im Hause jenseits allen hektischen Zeitungsmachens ziemlich viel Betrieb. Wobei die Bezeichnung »bei uns im Hause« eigentlich nicht korrekt ist. Denn wo »Neues Deutschland« draufsteht, ist schließlich seit Langem nicht allein »neues deutschland« drin. Dass wir immer weniger werdenden älteren Journalisten uns dennoch schwer tun, die offizielle und etwas sperrige Bezeichnung des Bürogebäudes »fmp 1« (Franz-Mehring-Platz 1) auch noch dazu zu lernen, hat aber nicht etwa mit dem alten vielzitierten Zentralorganshabitus zu tun, sondern mit der nicht zu unterschätzenden Macht der Gewohnheit: einmal nd-Gebäude, immer nd-Gebäude. Das übrigens geht auch vielen unserer Leser so - was womöglich ebenfalls mit den alten Gewohnheiten zu tun hat.

Aber zurück zum eingangs erwähnten stärkeren Besucheraufkommen. In diesen Tagen ist das freilich auch der erinnerungsträchtigen Zeit geschuldet. Walfriede Schmitt und Hans Modrow beim nd, Heinz Kessler bei der DKP, Egon Krenz beim RotFuchs: Wer ob der Dauerbeschallung im Fernsehen zu 25 Jahren »Wende« noch nicht taub geworden ist oder aber das Kontrastprogramm dazu haben möchte, der konnte sich nicht zuletzt auch in den Räumlichkeiten am Berliner Franz-Mehring-Platz noch eine Extra-Ration Geschichtsunterricht abholen - oder eben das, was der eine oder andere dafür hält. Festzuhalten ist, das Angebot wurde jedenfalls angenommen.

Doch damit ist es inzwischen längst nicht genug. Seit einiger Zeit ist in diesem Haus nicht nur zu Jubiläen oder Jahrestagen eine Menge los. Mal tagen die Anarchisten ein Wochenende lang, mal die Marx-Neuentdecker, mal lädt die Rosa-Luxemburg-Stiftung zu szenischer Lesung ein, mal spielen die Freunde Mocambiques auf. Und sie alle werden seit Wochen und Monaten mit wechselnden aktuellen Ausstellungen im Foyer des immer ein wenig unterkühlt, grau und trist wirkenden Gebäudes in Friedrichshain begrüßt. Und siehe da, das zeigt mancher Skepsis zum Trotz Wirkung - und längst nicht nur bei den gezielt kommenden Besuchern. Immer häufiger ist Leben auf den Gängen, weil die Expositionen - sei es die Antistalinismus-Ausstellung »Ich kam als Gast in euer Land« oder die ND-Übermalaktion von Matthias Görnandt »Aus dem Leben der Indianer« - auch Menschen anlocken, die mitunter weder mit der hier entstehenden Zeitung, noch mit den Dutzenden anderen Bewohnern des Hauses viel zu tun haben. Dass es tatsächlich gelingen kann, einem alten Kasten neues, buntes Leben einzuhauchen, hat manch einer von uns nicht mehr zu hoffen gewagt. Ganz abgesehen davon, dass Kunstgenuss, Bildung und Kontakt zum ganz normalen Leben, quasi frei Haus geliefert, auch niemandem, der hier arbeitet, schaden kann.

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