»Proteste außer Kontrolle«

Hongkonger Regierungschef wirft »ausländischen Kräften« Einmischung vor - Peking meint er damit nicht

  • Lesedauer: 2 Min.
Hongkong kommt nicht zur Ruhe: Demonstranten werden ungeduldig und die Führung lässt sich auch nach drei Wochen auf keine Forderung ein. Am Dienstag wollen Regierung und Aktivisten erstmals verhandeln.

Hongkong. Nach schweren Zusammenstößen in Hongkong hat die Polizei prodemokratischen Demonstranten zunehmende Gewalttätigkeit vorgeworfen. »Einige Protestierende agieren immer gewaltsamer«, kritisierte die Polizei am Montag in einer Mitteilung. Im Geschäftsviertel Mong Kok auf der Halbinsel Kowloon waren die Spannungen zwischen Demonstranten und Polizisten während des Wochenendes eskaliert. Die Polizei setzte Pfefferspray ein, und es gab mehr als zwei Dutzend Festnahmen.

Hongkongs oberster Gerichtshof erließ am Montag eine einstweilige Verfügung gegen die Besetzung des Geschäftsviertels Mong Kok. Eine Vereinigung von Taxifahrern und ein Busunternehmen hatten sich an das Gericht gewandt, weil sie ihr Geschäft durch die Demonstrationen beeinträchtigt sahen. Richter Jeremy Poon Shiu-chor folgte in erster Instanz der Argumentation der Kläger. Er bezeichnete die Besetzung der Straßen durch Aktivisten als öffentliches Ärgernis.

Regierung und Aktivisten wollen sich am Dienstag erstmals zu einem Dialog über die Lösung der schwersten Krise in der jüngsten Geschichte Hongkongs treffen. Allerdings sorgten gegenseitige Vorwürfe für neue Spannungen vor dem Treffen.

»Ausländische Kräfte mischen sich ein«, sagte Regierungschef Leung Chun-ying in einem Fernsehinterview. »Das ist keine reine inländische Bewegung, und sie gerät außer Kontrolle.« Protestführer wiesen Leungs Äußerungen scharf zurück. Sie seien unverantwortlich, kritisierte Alex Chow laut lokalen Medien. Der Regierungschef habe keine Beweise vorgebracht, um seine Theorie von ausländischen Kräften zu belegen. Leung versuche, die Bewegung gezielt zu diskreditieren.

Kevin Joseph Carrico von der Stanford Universität zeigte sich vor dem Treffen der Konfliktparteien skeptisch: »Ich bin nicht optimistisch, was die Gespräche oder einen wirklichen Fortschritt bei politischen Themen angeht.« Es sei wahrscheinlicher, dass die Demonstranten bei ihren Forderungen nachgeben würden und nicht die Regierung. »Trotzdem haben sie einen Präzedenzfall geschaffen, den die Regierung hoffentlich bei künftigen politischen Entscheidungen beherzigen wird«, sagte Ostasien-Experte Carrico der Nachrichtenagentur dpa.

Die Proteste in Hongkong dauern seit drei Wochen an. Die chinesische Führung in Peking will zwar 2017 erstmals direkte Wahlen in der früheren britischen Kronkolonie zulassen. Sie verweigert aber eine freie Nominierung der Kandidaten.

Die Protestführer haben zunehmend Probleme, die prodemokratische Bewegung unter Kontrolle zu halten. Trotz der Besetzung zentraler Straßen in der Finanzmetropole konnten die Demonstranten ihre Forderungen gegenüber der Regierung nicht durchsetzen. Mehrfach hatten Wortführer ihre Anhänger dazu aufgerufen, keine weiteren Stadtteile zu blockieren und die Sicherheitskräfte nicht unnötig zu provozieren. dpa/nd

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