Menschenrechtsorganisationen stellen Strafanzeige gegen Spähsoftwarehersteller

Ziele in Deutschland angeblich mit Trojaner »FinFisher« von bahrainischen Behörden ausspioniert / Unternehmen will sich nicht äußern

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Firma »Finfisher GmbH«, die zur Gamma-Group gehört, soll sich mit Lieferung und Wartung ihrer Überwachungssoftware nach Bahrain der Beihilfe zur Ausspähung von Daten in Deutschland schuldig gemacht haben - in Großbritannien sollen von ähnlichen Aktionen bahrainische Menschenrechtsaktivisten betroffen sein.

München. Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) hat gemeinsam mit der britischen Organisation Privacy International bei der Staatsanwaltschaft München Strafanzeige gegen Mitarbeiter des deutsch-britischen Konzerns Gamma, zu dem die Firma »Finfisher« gehört, eingereicht. Dem ECCHR und Privacy International liegen laut eigener Aussage Datensätze vor, die den Verdacht begründen, das Gamma die Überwachungssoftware »FinFisher« nach Bahrain lieferte und von Deutschland aus auch technische Hilfe leistete. Nach Recherchen des Magazins »Capital« hätten Behörden des Golfstaats Bahrain im Jahr 2012 mindestens ein Ziel in Deutschland mit einer Überwachungs-Software der Münchener Firma Finfisher ausspioniert, die zuvor nach Bahrain exportiert wurde. Dies ginge aus Unterlagen der Software-Firma hervor. Auf telefonische »nd«-Anfrage wollte sich das Unternehmen grundsätzlich nicht zur Strafanzeige äußern.

»Wenn sich dieser Verdacht bestätigt, dann können sich Gamma-Mitarbeiter der Beihilfe schuldig gemacht haben. Dafür müssen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden«, sagte Miriam Saage-Maaß vom ECCHR. Auch in Großbritannien und Belgien lägen Strafanzeigen gegen Gamma vor. Neben Ermittlungen fordert die Organisation auch politische Konsequenzen: »Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel muss seine Ankündigungen endlich umsetzen und den Export von Überwachungstechnologie wirkungsvoll und transparent regulieren.«

Aus Daten von 77 Computern ginge laut ECCHR und Privacy International hervor, dass bahrainische Behörden mit dem Trojaner neben Geräten in Großbritannien auch je einen Computer in Belgien und in Deutschland ausgespäht hätten. In Großbritannien seien davon unter anderem bahrainische Menschenrechtsaktivisten betroffen. Die Identität der in Deutschland ausspionierten Person sei bisher aber nicht bekannt.

Der deutsch-britische Konzern Gamma hat FinFisher entwickelt und produziert. Werbematerial zeige, dass die Software den umfassenden Zugriff auf infizierte Geräte und alle enthaltenen Daten ermöglicht, auch Kameras und Mikrofone an Computern könnten angezapft werden. Laut Privacy International wird FinFisher-Software in 35 Ländern, darunter Äthiopien, Turkmenistan, Bahrain und Malaysia eingesetzt. »Firmen wie Gamma machen mit repressiven Staaten gute Geschäfte, weisen aber jede Verantwortung für ihre Produkte zurück«, sagt Adriana Edmeades von Privacy International. »Es wird Zeit, dass auch Unternehmen für ihre Beteiligung an massiven Menschenrechtsverletzungen juristisch belangt werden.« Auf der Website der FinFisher Gmbh gibt die Firma an, dass sie ihre Produkte nur an Regierungsstellen verkauft, sie nur auf »individuelle Verdächtige« zielen und nicht für die Massenüberwachung geeignet seien.

Gamma steht seit längeren in der Kritik: So nahm die nationale Kontaktstelle der OECD in Großbritannien im Juni 2013 laut netzpolitik.org eine Beschwerde gegen Gamma und eine Münchener Firma von Privacy International, den Reportern ohne Grenzen, dem ECCHR und Bahrain Watch an. Im August 2014 wurden über den Twitteraccount @GammaGroupPR interne Dokumente über Trojanerprodukte der Firma veröffentlicht. Im Mai 2013 wurde bekannt, dass die deutsche Bundesregierung Nutzungslizenzen über ein Jahr für »FinSpy« für zehn Computer zu Testzwecken erworben hatte.

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