Familie Nuhi darf bleiben

Ex-Polizist und Angehörige aus Kosovo müssen eine Abschiebung nicht mehr fürchten

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 4 Min.
Nach fünf Jahren hat die Familie Nuhi aus Kosovo, über die »nd« seit zwei Jahren regelmäßig berichtet, endlich ein Bleiberecht für Deutschland und Berlin bekommen. Und Vater Sadat Nuhi hat gleich doppelten Grund zur Freude.

Am Ende des Hin und Her war die Freude groß. »Wir haben eine kleine Feier in der Kirche mit allen unseren Helfern und Freunden gemacht«, erzählt Vater Sadat Nuhi. Für den ehemaligen Polizisten bedeutet das Bleiberecht auch, dass er nach Jahren der erzwungenen Untätigkeit endlich arbeiten darf: Bereits in der kommenden Woche nimmt er einen Job als Wachmann auf. Die Stelle wird ihm seit dem Sommer freigehalten. Nuhi durfte sie als abgelehnter Asylbewerber bislang nicht antreten.

Die Nuhis gehören der slawischen Minderheit der Goranen an. Goranen leben in eigenen Dörfern in Kosovo. Weil Goranen während des Krieges mehrheitlich auf der Seite der Serben standen und weil Sadat Nuhi zudem als Verkehrspolizist serbischer Uniformträger war, wurde die Familie nach Kriegsende mit Blutrache bedroht. In Kosovo kommt das einem Todesurteil auf Zeit gleich.

Aus diesem Grund floh die Familie Ende der 1990er Jahre zunächst nach Serbien. Hier waren sie anfangs auch willkommen. »Doch als Goranen tragen wir kosovarische Familiennamen. Sehr bald wurden wir darum ausgegrenzt und schikaniert«, sagt der Familienvater. Er durfte nicht mehr als Polizist arbeiten. Der ältere Sohn wurde der Schule verwiesen. »Irgendwann haben wir das nicht mehr ausgehalten und sind nach Deutschland geflohen«, sagt Sadat Nuhi. In Deutschland lebte bereits ein Bruder seiner Frau. Doch der Asylantrag der Nuhis wurde aus formalen Gründen von der Ausländerbehörde abgelehnt.

Die Härtefallkommission, an die sich die Familie wandte, befürwortete zwar ein Bleiberecht. Doch Innensenator Frank Henkel (CDU), der in solchen Fällen das letzte Wort hat, folgte vor zwei Jahren nicht der Empfehlung der Kommission. Und das, obwohl die Familie schon lange bestens in Berlin integriert war. Am Nikolaustag 2012 sollten die Nuhis schließlich ausreisen. Damals hatte das »nd« erstmals über die Familie berichtet.

Ellen Apitz, die Anwältin der Familie, konnte die Abschiebung zunächst hinausschieben, weil einer der Söhne wegen einer offenen Verletzung nicht reisefähig war. Als die Wunde verheilt war, entschied die Innenverwaltung, dass der damals 15-jährige Sohn Elmen ein weiteres Jahr in Deutschland bleiben darf, um den Realabschluss zu machen. Dazu sollte er wählen, ob Vater oder Mutter mit ihm in Berlin bleiben dürfen.

Das jeweils andere Elternteil sollte mit dem jüngeren Bruder nach Serbien ausreisen. Zu diesem Zeitpunkt begann die evangelische Kirche, sich für die Familie zu engagieren. Eine Friedrichshainer Kirchgemeinde nahm die Nuhis ins Kirchenasyl auf. Bis heute wohnen sie dort. »Wir haben jetzt aber einen Wohnberechtigungsschein und die Kirche hilft uns, eine andere Wohnung zu finden«, sagt Sadat Nuhi. Als Moslem war es für ihn eine Selbstverständlichkeit gewesen, sich auch in der Kirchgemeinde zu engagieren. Bei Feiern stand er am Grill und am Abwaschtisch. Er machte sich als Hausmeister nützlich. Seine Frau hat Pasteten gebacken. »Kirche und Moschee, das ist doch egal«, sagt Sadat Nuhi. »Beide sind für die Menschen da.«

Mit dem Aufenthaltsrecht kann Familie Nuhi endlich in die Zukunft schauen. Die Mutter qualifiziert sich derzeit als Altenpflegerin, also in einem Beruf, der hierzulande dringend gebraucht wird. Der inzwischen 16-jährige Elmen besucht die 11. Klasse eines Oberstufenzentrums und will Architekt werden. Als »nd« den schüchternen Jungen vor zwei Jahren kennenlernte, wollte er noch Informatiker werden und hatte hinzugefügt: »Das geht aber nur, wenn ich in Deutschland sein darf. In Serbien darf ich als Gorane nicht studieren.« Heute sagt Elmen, nicht mehr ganz so schüchtern wie 2012: »Es interessiert mich, Häuser zu entwerfen.« Sein jüngerer Bruder, der in der D-Jugend des SC Siemensstadt kickt und in seiner Klasse Klassensprecher war, träumt von einer Zukunft als Fußballprofi.

»Nach Kosovo kehre ich auf keinen Fall zurück. Dort ist mein Leben bedroht«, sagt Sadat Nuhi. Mit Schrecken denkt er daran, dass Kosovaren ihn mit dem Auto überfahren wollten und er sich in letzter Sekunde schwer verletzt in einen Straßengraben retten konnte. Seine Frau und seine Söhne hingegen träumen schon von einer Urlaubsreise zu den Großeltern in Kosovo. »Aber zuerst müssen wir in Berlin arbeiten und das Geld dazu verdienen.« Bevor die Nuhis das Bleiberecht bekamen, wollte Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) sie übrigens persönlich kennenlernen. »Wir hatten ein Gespräch für 15 Minuten und er wollte vor allem hören, ob jeder von uns Deutsch spricht«, sagt der Familienvater.

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